Ablehnung im Bundestag gegen EU-Fluggastdatensammlung

Mit Ausnahme der CDU/CSU haben alle Fraktionen im Parlament den umstrittenen Vorstoß der EU-Kommission zur 13-jährigen Speicherung und Auswertung von Flugpassagierdaten scharf kritisiert.

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Mit Ausnahme der CDU/CSU haben bei einer Debatte im Bundestag am heutigen Donnerstag alle Fraktionen den umstrittenen Vorstoß der EU-Kommission zur 13-jährigen Speicherung und Auswertung von Flugpassagierdaten scharf kritisiert. Das Vorhaben "geht weit über das hinaus, was man für eine vernünftige Strafverfolgung benötigt", bemängelte etwa Wolfgang Gunkel von der SPD. Seine Partei habe schon beim Abkommen Brüssels mit den USA zur Weitergabe der entsprechenden Passenger Name Records (PNR) "große Bauchschmerzen" entwickeln müssen. Dazu habe es aber aufgrund der Drohungen Washingtons zur Lahmlegung des transatlantischen Flugverkehrs keine Alternative gegeben. Bei den europäischen Plänen verhalte sich die Sache anders.

Gunkel verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass die Initiative des EU-Justizkommissars Franco Frattini "in dieser Form nicht verabschiedet wird". Das Bundesinnenministerium dränge jedenfalls auf weitere Verhandlungen, so dass ein Einschreiten des Bundestags in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr nötig sei. Mit seinen anderen Gedankenspielen, auch die Daten von Schiffs- und Zugreisenden EU-weit zu erfassen, liege Frattini zudem "sehr weit daneben". Es könne nicht sein, dass einerseits der Schengenraum erweitert werde, während andererseits "durch die Hintertür die Grenzen wieder aufgezogen werden".

Auslöser der halbstündigen Aussprache im Plenum waren Eingaben zweier Oppositionsparteien gegen das EU-Vorhaben, unter anderem Kreditkarteninformationen, besondere Essenswünsche, Buchungen für Hotels oder Mietwagen sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern Flugreisender zu erfassen und einer Risikoanalyse zu unterziehen. Die FDP bemängelt in einem Antrag (PDF-Datei) vor allem, dass der Entwurf für einen Rahmenbeschluss kein tatsächliches Bedürfnis für den Zugang zu personenbezogenen Daten von Fluggästen nachweise. Eine Ausweitung der Erhebung und Speicherung von Fluggastdaten sei derzeit nicht angemessen. Die Liberalen legen einen eigenen Vorschlag vor, der unter anderem eine geringere Speicherdauer der Daten vorsieht.

Die Grünen lehnen die Speicherung von Fluggastdaten in ihrem Antrag (PDF-Datei) grundsätzlich ab. Die Pläne seien unter datenschutz- und verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten "absolut inakzeptabel und sollten auch aus sicherheitspolitischen Gründen nicht weiterverfolgt und umgesetzt werden".

"Der Staat ist zum größten Datensammler der Republik aufgestiegen", begründete Ernst Burgbacher von der FDP das Anliegen seiner Fraktion. Die Hortung der PNR-Daten gehe angesichts dieser der Privatheit arg zusetzenden Entwicklung "schlicht zu weit", der Entwurf falle "völlig aus dem Handlungsrahmen". Das Bild vom gläsernen Bürger werde immer deutlicher, warnte der Liberale vor einem "europäischen Raum der Überwachung". Nicht jede Maßnahme sei durch die Überschrift "Terrorismusbekämpfung" zu rechtfertigen.

Auch für Silke Stokar von den Grünen "überschreitet der Rahmenbeschluss alle Grenzen dessen, was in der EU machbar ist". Die geplante Risikoanalyse mit Hilfe von Reiseprofilen bedeute, dass Menschen auf "No Flight"-Listen landen und Geheimdienste über die Reisefreiheit entscheiden. "Eine solche Situation möchte ich in Europa nicht haben", stellte Stokar klar. Zugleich griff sie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) an, da dieser im Januar auf dem Europäischen Polizeikongress die Vorschläge Frattinies noch "heiß begrüßt" habe.

Unterstützung erhielten die Grünen und die FDP von den Linken. Deren Innenexperte Jan Korte beklagte, dass mit dem transatlantischen PNR-Abkommen bereits "völlig unschuldige Leute in die Mühlen der US-Geheimdienste geraten". Der Bundesregierung warf er vor, die EU immer wieder zu missbrauchen, "um massive Freiheitseinschränkungen anzuleiern". Er sprach von einem daraus resultierenden "wahren Panoptikum eines Überwachungsstaats in Europa".

Der parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Christoph Bergner (CDU), verteidigte die Flugdatensammlung prinzipiell, da sie "ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus oder anderer schwerer Straftaten darstellen kann". Eine EU-weite Regelung würde ermöglichen, dass Sicherheitsbehörden diese Daten im Bedarfsfall zur Verfügung stünden. Der Entwurf bedürfe aber noch "sorgfältiger Prüfungen". Die umfassenden Einwände des Bundesrates habe man zur Kenntnis genommen. Auch die Länderkammer sei aber nicht grundsätzlich gegen eine PNR-Auswertung. Generell habe der Diskussionsprozess erst begonnen. Mit einer Einigung sei frühestens 2009 zu rechnen, so dass dann auch das EU-Parlament mitentscheidend zu beteiligen sei. Die Bundesregierung werde sich für einen Beschluss einsetzen, "der das Gleichgewicht zwischen Sicherheits- und Datenschutzinteressen wahrt".

Die Union verzichtete auf einen Redebeitrag. In den vergangenen Tagen hatte der für die CSU im EU-Parlament sitzende Konservative Manfred Weber in mehreren Interviews aber keinen Zweifel gelassen, dass auch seiner Meinung nach der Frattini-Vorstoß schlicht "unverhältnismäßig" ist. Es gäbe keine Belege dafür, dass der Vorschlag den Ermittlungsbehörden tatsächlich mehr Erfolge verschaffen würde. (Stefan Krempl) / (pmz)