Bundestag verabschiedet Gesetz zur besseren Durchsetzung geistigen Eigentums

Mit dem Stimmen der Koalition hat das Parlament den umstrittenen Entwurf zur Verankerung eines Auskunftsanspruchs gegen Internetprovider bei Urheberrechtsverletzungen mit Änderungen aus dem Rechtsausschuss abgesegnet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 470 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.

Mit der Mehrheit der großen Koalition hat der Bundestag am heutigen Freitag den umstrittenen Regierungsentwurf für ein Gesetz zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte mit den Änderungen aus dem Rechtsausschuss abgesegnet. Die Opposition stimmte geschlossen gegen das Vorhaben. Rechteinhaber erhalten damit erstmals einen Auskunftsanspruch gegen an Rechtsverstößen unbeteiligte Dritte wie Internetprovider. So soll es einfacher werden, die Identität möglicher Rechtsverletzer etwa in Tauschbörsen aufzudecken. Über die entsprechende Herausgabe von hinter einer IP-Adresse stehenden Nutzerdaten muss gemäß dem ursprünglichen Entwurf ein Richter entscheiden.

"Wir sorgen dafür, dass Produktpiraten und Fälscher besser bekämpft werden", umriss Alfred Hartenbach, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, bei der dreiviertelstündigen 2. und 3. Lesung des Gesetzes die seiner Ansicht nach vorherrschende Stoßrichtung. Ein "wichtiger Baustein" dafür sei die Erweiterung von Auskunftsansprüchen, mit denen der Rechteinhaber "an Raubkopierer herankommen kann". Der vorgesehene Richtervorbehalt bei der Aufklärung von Urheberrechtsverstößen im Internet entlaste dabei die Internetprovider von Prüfungen, ob ein Anspruch auf die Datenherausgabe bestehe. Darüber hinaus müsse es sich um eine Rechtsverletzung "im gewerblichen Ausmaß" handeln. Damit sei es gelungen, "ein Gleichgewicht" zwischen verschiedenen Grundrechten zu schaffen.

Günter Krings von der CDU ließ durchblicken, dass er weitere Verschärfungen des Entwurfs bevorzugt hätte. Die vorgenommene Beschränkung der Anwaltskosten bei der ersten Abmahnung wegen Urheberrechtsverstößen im Internet in einfachen Fällen ohne gewerbliches Ausmaß auf 100 Euro gehe zwar "in Ordnung". Wer etwa ein ganzes Album widerrechtlich zum Download zur Verfügung stelle, müsse so weiterhin "tiefer in die Tasche greifen". Generell sei aber noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um in der Gesellschaft die volkswirtschaftliche und kulturelle Bedeutung des geistigen Eigentums zu verdeutlichen. Beim Auskunftsanspruch begrüßte Krings, dass der Rechtsausschuss mit dem Kriterium des gewerblichen Ausmaßes ein deutlich umfassender Begriff gewählt habe (PDF-Datei) als die zunächst vorgesehene Einschränkung auf "geschäftlichen Verkehr". Nun werde auch die Verschaffung eines "mittelbaren wirtschaftlichen Vorteils erfasst", da das Gesetz sonst wirkungslos geworden wäre gegenüber dem illegalen Treiben in Tauschbörsen.

Obwohl mit dem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch für Rechteinhaber der Umweg über Staatsanwaltschaften zur Aufklärung von Rechtsverstößen entfallen soll, nutzte Krings die Gelegenheit für eine öffentliche Rüge einzelner Strafverfolger. So gab der CDU-Politiker der Hoffnung Ausdruck, dass die Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft ihre Kollegen in Wuppertal bald auf den Pfad der Rechtsstaatlichkeit zurückführen würden. Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hatte zuvor die Aufnahme von Ermittlungen gegen Tauschbörsennutzer aufgrund fehlendem wirtschaftlichen Interesses als unverhältnismäßig verweigert. Mittlerweile sind aber auch die Schleswig-Holsteiner Staatsanwaltschaften angehalten, IP-Adressen von Tauschbörsennutzern in den meisten Fällen nicht mehr zu ermitteln.

Krings fragte besorgt, ob mit dieser Haltung in Wuppertal noch Sachbeschädigungen verfolgt würden, da in diesen Fällen in der Regel auch kein Geschäftsinteresse der Verursacher festzustellen sei. Weiter sprach er sich für – vom Europaparlament gerade abgelehnte – zusätzliche nicht-staatliche Maßnahmen aus wie die in Frankreich und Großbritannien geforderten Sperren von Internetzugängen bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen. Sollten dem hierzulande datenschutzrechtliche Bestimmungen entgegenstehen, müsste deren Änderung "schnell in Angriff" genommen werden.

Für die Linke monierte Ulla Jelpke, dass der Auskunftsanspruch "fast uferlos" gefasst sei und auch Filesharer treffe. "Sie stellen das Eigentumsrecht ganz klar über den Datenschutz", warf sie der Koalitioin vor. Es gehe nicht um die kleine Band oder experimentelle Filmemacher, sondern um Regelungen nur für "Musik-, Film- und Softwareindustrie", die damit weiter "Phantasiepreise" durchsetzen könnten.

Jerzy Montag von den Grünen hielt ebenfalls nichts davon, "der Industrie, die sich zwischen die Kreativen und die Verbraucher gesetzt hat, Sonderrechte zuzuspielen". Der Auskunftsanspruch greife nun aber schon "beim ersten Euro, den man sich erspart", und kollidiere mit geltendem Recht. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP kritisierte dagegen vor allem die Deckelung der Abmahngebühren. Mit 100 Euro seien berechtige Unterlassungsanspruche nicht mehr kostendeckend durchzusetzen. Die Reduzierung der Übersetzungskosten für Patentschriften durch die Umsetzung des Londoner Übereinkommens mit dem Entwurf würden die Liberalen aber ausdrücklich unterstützen.

Auch der Kreativwirtschaft geht der Entwurf nicht weit genug. Stellvertretend für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels, den Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) beklagte Dieter Gorny, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Musikindustrie, dass das Vorhaben für die Rechte von Autoren im Internet keinen ausreichenden Schutz biete und damit das Ziel der EU-Vorgaben "vollständig" verfehle. Konkret bemängelte er, dass Urhebern "kein eindeutiger zivilrechtlicher Anspruch auf Herausgabe notwendiger Daten zur Identifizierung von Internet-Rechtsverletzern" zugesprochen werde und das Gesetz damit "ins Leere" zu laufen drohe. Zudem begünstige die Kappung der Abmahngebühren statt der Opfer die Täter. Die Verbände hatten zuvor bei einer Anhörung vor allem gegen den Richtervorbehalt bei der Abfrage von Nutzerdaten protestiert.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)