Länder wünschen erweiterten Zugriff auf TK-Vorratsdaten

Der Rechtsausschuss des Bundesrates empfiehlt, Rechteinhabern auch zur zivilrechtlichen Verfolgung etwa von Urheberrechtsverletzungen Zugang zu den künftig sechs Monate lang zu lagernden Verbindungsdaten zu geben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 702 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Dem Rechtsausschuss des Bundesrates geht der vom Bundestag vor zwei Wochen beschlossene Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung nicht weit genug. Vor allem bei den Bestimmungen zum Zugriff auf die demnach sechs Monate verdachtsunabhängig aufzubewahrenden Verbindungsdaten, die das Parlament bereits deutlich gegenüber den EU-Vorgaben zur Vorratsdatenspeicherung ausdehnte, sieht das federführende Gremium der Länderkammer noch Korrekturbedarf. So sollen die Länderchefs bei der Plenarsitzung am kommenden Freitag eine Entschließung (PDF-Datei) fassen, wonach auch Rechteinhabern zur zivilrechtlichen Verfolgung etwa von Urheberrechtsverletzungen Zugang zu den Datenbergen zu gewähren ist.

Geht es nach den Rechtspolitikern, würde andernfalls der heftig umstrittene zivilrechtliche Auskunftsanspruch gegenüber Internetprovidern, wie er im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vorgesehen ist, "leer laufen". Um das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht zu blockieren, soll der Bundesrat aber nicht auf den Einbau einer solchen Befugnis etwa für die Musik- und Filmindustrie in das bereits vom Bundestag abgesegnete Überwachungsvorhaben drängen. Vielmehr rät der Rechtsausschuss, den Weg über das laufende Verfahren zum Durchsetzungsgesetz selbst zu wählen und darin Zugriffsrechte der Rechtehalter auf die Vorratsdaten vorzusehen. Nur durch eine Regelung, die den geplanten Auskunftsanspruch gegen die Provider "auch erfüllbar macht", sei der "Widerspruch" zwischen beiden Gesetzen aufzulösen.

Zur Begründung führt der Rechtsausschuss unter anderem an, dass die Rechteinhaber andernfalls bei der Recherche nach den hinter IP-Adressen stehenden Namen und Bestandsdaten "weiterhin gezwungen wären, stets ein Strafverfahren gegen potenzielle Verletzer einzuleiten". Dieses Vorgehen würden die Vertreter von Urheberrechten nicht wünschen, da es "eine große Zahl von potenziellen Rechtsverletzern in unnötiger Weise kriminalisiert und die Staatsanwaltschaften enorm belastet".

Der Bundesrat hatte eine vergleichbare Forderung bereits bei seiner vorherigen Beratung des Regierungsentwurfs zur Vorratsdatenspeicherung im Juni im Rahmen einer umfangreichen Stellungnahme aufgestellt. Viele andere Eingaben der Länder von damals zur Verschärfung der neuen Regeln zur TK-Überwachung hat der Bundestag aufgegriffen. So wird etwa die im Regierungsentwurf enthaltene Verwertungsbeschränkung abgehörter Informationen bei fehlerhaft angenommener Gefahr im Verzuge gestrichen. Auch die Verkürzung der Anordnungs- und Verlängerungsfristen beim Belauschen der Telekommunikation von maximal drei auf zwei Monate erschien dem Parlament nicht nötig. Gleiches gilt für die zunächst geplante Zuständigkeit eines Gerichts zweiter Instanz über Verlängerungsanordnungen.

Zudem beschränkten die Abgeordneten die vorgesehene Berichts- und Statistikpflicht. Ferner schaffen die Änderungen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wonach Auskünfte etwa über den Namen und die Anschrift eines Anschlussinhabers, der mit einer dynamischen IP-Adresse und Uhrzeit quasi dingfest gemacht worden ist, im manuellen Auskunftsverfahren nach Paragraph 113 Telekommunikationsgesetz (TKG) zu erteilen sind. Nur den weitergehenden Forderungen des Bundesrates, die gespeicherten Verbindungsinformationen auch für Bestandsdatenauskünfte an die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums verwenden zu dürfen, folgte die große Koalition im Bundestag nicht.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach sich im Vorfeld der Beratungen wiederholt strikt gegen diese Empfehlung der Länder aus. Mit Zugriffsmöglichkeiten zur zivilrechtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen würden sich seiner Ansicht nach "die schlimmsten Befürchtungen erfüllen", die einen weiteren Dammbruch bei der Ausgestaltung der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung mit sich brächten.

Das tatsächliche Abstimmungsverhalten des Bundesrates zur Neuregelung der TK-Überwachung ist derzeit noch schwer abschätzbar. So hat das Land Berlin gerade einen Antrag verabschiedet, wonach der Bundesrat entgegen dem Plädoyer des Rechtsausschusses der Länderkammer doch den Vermittlungsausschuss anrufen soll. Berlin will mit dem Vorstoß vor allem versuchen, den als nicht ausreichend kritisierten Schutz von Journalisten, Rechtsanwälten und anderen Berufsgeheimnisträgern zu verbessern. Der Gesetzesentwurf missachtet laut dem Land Berlin wesentliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zur Wahrung des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und die Berufsfreiheit. (Stefan Krempl) (gr)