Stadt Wien begräbt Glasfaserpläne

Geplant waren Glasfasernetze für jeden Haushalt, Wien sollte Breitband-Hauptstadt werden. Doch aus der subventionsfreien Anbindung wird nichts - die Stadt hat die für die Verlegung der Netze zuständige Firma klammheimlich verkauft.

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Glasfaseranschlüsse für jeden Wiener Haushalt wollte die Gemeinde Wien ohne Subventionen realisieren. Vor drei Jahren hätte ein Pilotprojekt mit 50.000 Haushalten starten sollen, im Endausbau sollten alle 960.000 Haushalte und zirka 70.000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit 1 Gbit/s symmetrischer Bandbreite angebunden werden. Damit sollte Wien wieder zur Breitband-Hauptstadt der Welt werden. Aber daraus wird so schnell nichts werden, denn die Stadt hat die Firma Cablerunner Austria verkauft, die die Glasfasern im Kanalnetz der Stadt hätte verlegen sollen. Seit kurzem gehört Cablerunner zu 76 Prozent der Telekom Austria (TA). Die alternativen Provider sind empört und fürchten um ihre Investitionen.

2004 hatte die Stadt Wien den CableRunner vorgestellt: Eine Eigenentwicklung, die selbst in Rohren von nur 25 Zentimeter Durchmesser jene Kabel verlegen kann, in die dann Glasfasern eingeschossen werden. Der Providerband ISPA warnte damals "vor der Gefahr, mit Geldern der Stadt eine neue Monopol-Infrastruktur zu errichten." Die Stadt etablierte eine eigene CableRunner Austria GmbH und erklärte es zum Ziel, alle am Wiener Kanalnetz angeschlossenen Grundstücke – das sind 99 Prozent – mit Glasfaser zu versorgen. CableRunner Austria erhielt die exklusiven Wegerechte im Kanalnetz.

Während die ebenfalls der Stadt Wien gehörende Wienstrom den Ausbau ihres Glasfaser-Angebots Blizznet stoppte, verlegte CableRunner Glasfasern und Leerrohre im Kanalnetz. Diese Infrastruktur wurde an interessierte Internetprovider, Mobilfunk-Netzbetreiber und Medienunternehmen vermietet. CableRunner dürfte bis heute etwa 500 Kilometer Glasfaser im Kanalnetz installiert haben. Anfang 2006 wurde medienwirksam der flächendeckende Netzausbau und die Produktion von Inhalten angekündigt, die die Glasfaseranschlüsse Endkunden schmackhaft machen sollten.

Doch bereits im Februar 2007 wurden 75 Prozent der Firma still und leise an ein Investorenpaar veräußert und im September 2008 wurde ein weiteres Prozent nachgereicht, womit die Stadt Wien auf ihre Sperrminorität verzichtet haben dürfte. Praktisch gleichzeitig verkauften die Investoren an den als Sanierer bekannten Bernhard Chwatal, der nicht lange zögerte und die Firma im Januar 2009 für eine nicht genannte Summe an die TA weiterreichte.

Die CableRunner-Kunden sind entsetzt, dass die Stadt Wien die Infrastruktur Glasfasernetz überhaupt verkauft hat – noch dazu ohne öffentliche Diskussion. Die bereits in Anschlüsse an das CableRunner-Netz getätigten Investitionen könnten verloren sein. Solche Bedenken versuchte die TA zu zerstreuen, in dem sie ankündigte, sich an von CableRunner geschlossene Verträge halten zu wollen. Eine Garantie für die Vermietung von Leerrohren wollte ein TA-Sprecher gegenüber heise online indes nicht geben. Für die alternativen Provider ist das besonders wichtig, da sie selbst keine Rohre im Kanalnetz verlegen dürfen, denn Cablerunner hat dort ein Monopol.

Die Provider fürchten auch, dass Anfragen zum Anschluss potenzieller Kunden bei CableRunner umgehend an die Vertriebsabteilung der TA weitergeleitet werden. Während CableRunner bisher kein Interesse an Endkundenbeziehungen hatte, möchte der neue Eigentümer TA lukrative Kunden für sich selbst gewinnen und nicht der Konkurrenz überlassen.

Die TA sieht keine Notwendigkeit, ihren Einkauf der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) anzuzeigen. Cablerunner erreiche die entsprechenden Umsatzgrenzen nicht, so die TA. Die alternativen Provider sehen jedoch einen Wertungswiderspruch: Während die TA im Zuge der umstrittenen Übernahme von eTel dazu gezwungen wurde, den Wiener eTel-Glasfaserring zu verkaufen, soll nun der Kauf eines vielfach umfangreicheren Glasfasernetzes ohne Prüfung über die Bühne gehen. Einige TA-Konkurrenten haben deshalb bei der BWB ein Verfahren angeregt. (Daniel AJ Sokolov) (uk)