Filmindustrie propagiert "deutschen Weg" gegen "Raubkopierer"

Die deutsche Filmwirtschaft hat sich bei einer neuen Aktion der Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher" für eine abgemilderte Version der "abgestuften Antwort" gegen angebliche Urheberrechtsverletzer ausgesprochen - ohne Sperren des Internet-Zugangs.

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Vertreter der deutschen Filmwirtschaft und die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) haben sich im Rahmen einer neuen Aktion der Kampagne "Raubkopierer sind Verbrecher" in Berlin für eine abgemilderte Version der umstrittenen "Three Strikes"-Doktrin ausgesprochen. In Frankreich und Großbritannien werden dagegen Bestimmungen vorangetrieben, wonach Internetzugänge bei wiederholten Urheberrechtsverletzungen und Warnhinweisen per E-Mail gekappt werden sollen (System der "Three Strikes" beziehungsweise "Riposte Graduée").

Eine Sperre des Internetzugangs bei wiederholten Verstößen gegen das Urheberrecht etwa in Tauschbörsen "steht nicht oben auf unserer Agenda", betonte der neue GVU-Geschäftsführer Matthias Leonardy gegenüber heise online. Bei dem Modell der "abgestuften Erwiderung" auf Rechtsverletzungen ("Riposte Graduée") würden hierzulande vielmehr die Warnmails im Vordergrund stehen, die Internetprovider an auffällig gewordene Kunden schicken sollen. Man plädiere dagegen anders als Frankreich und Großbritannien nicht dafür, den Nutzern auch "den Saft abzudrehen".

Als weitere Sanktion nach der Missachtung der Warnhinweise bringt die Filmindustrie hierzulande "etwa die Einschränkung der Bandbreite" ins Spiel. So würden vor allem auch bei "Wiederholungstätern" die Spezifika von "Triple Play"-Angeboten berücksichtig, bei denen auch Telefon und Fernsehen über den Internetanschluss laufen. Als weitere Besonderheit des "deutschen Wegs" bei der erwünschten Kooperation mit Zugangsanbietern im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen sei der Punkt anzuführen, dass die Provider nicht eigenständig die Netze nach illegalen Kopien ihrer Kunden durchsuchen sollten. Listen mit Urheberrechtsverletzern für die Verwarnungen werde die GVU zur Verfügung stellen.

Die Branche zieht damit die Konsequenz aus der Tatsache, dass sich die Politik hierzulande und auch in Brüssel nicht wirklich für das rigide System der abgestuften Antwort mit Sanktionsmöglichkeiten bis hin zum Kappen der Internetverbindung erwärmen kann. So scheiterte in den federführenden Ausschüssen des EU-Parlaments Anfang Juli ein Vorstoß konservativer Abgeordneter im Rahmen des geplanten Gesetzespaket zur Regulierung des Telekommunikationsmarktes, der ein solches Vorgehen EU-weit gesetzlich verankern wollte. Ende des Monats steht nun die 1. Lesung über das Gesamtvorhaben an, auf das sich auch die Gegner einer "Three Strikes"-Regelung per intensiver Lobbyarbeit in Brüssel vorbereitet haben.

"Die politische Lage ist eher von Stillstand geprägt", erklärte Leonardy daher. Man baue folglich darauf, eine "praktikable Lösung" mit den Providern selbst zu finden. Diese würden aber nach wie vor mauern und einen "Riesenaufwand" beklagen, obwohl die Hinweise von der GVU kämen und die Zugangsanbieter ihre Kunden nicht selbst überwachen müssten. Generell beklagte Leonardy "missverständliche Signale aus der Politik" beim Vorgehen gegen illegales Filesharing. Er bezog sich dabei unter anderem auf die "Verfügung" von Staatsanwaltschaften in einigen Bundesländern, nur noch "große Fälle" von Downloads zu verfolgen. Dabei könne ein einzelner Uploader von Filmen einen größeren Schaden verursachen als tausende Downloads.

"Nur halb glücklich" zeigte sich der GVU-Geschäftsführer auch mit dem Anfang des Monats in Kraft getretenen neuen Gesetz zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte. Bei einem damit nun gegebenen Auskunftsanspruch gegen Internetprovider müsse ein Richter entscheiden, wobei noch unklar sei, wer die Kosten dafür in Höhe von 200 Euro pro Fall zu tragen habe. Es werde zudem noch Jahre dauern, bis gerichtlich geklärt sei, was unter der Anforderung des "gewerblichen Ausmaßes" eines Rechtsverstoßes zu verstehen sei. Auch wer Geld mit illegalen Downloads spare, falle nach Ansicht der GVU in diese Kategorie.

Mit der Aktion am Potsdamer Platz selbst wollte die Filmindustrie einmal mehr symbolisch veranschaulichen, dass sich "Raubkopierer auch im Internet nicht verstecken können". Nach einer Body-Painting-Schau vor zwei Jahren im Bahnhof Friedrichstraße zogen dieses Mal als Bäume getarnte Akteure die Blicke einzelner Passanten auf sich. Aufklärung über den Zweck des Schauspiels brachten Schilder mit dem Hinweis auf die Kampagne. "Mit unserer Promotion weisen wir darauf hin, dass die Rechteinhaber inzwischen über vielfältige Möglichkeiten verfügen, Raubkopierer on- und offline auf die Spur zu kommen", erklärte Jan Oesterlin, Geschäftsführer der Zukunft Kino Marketing GmbH. Diese rief die umstrittene Abschreckungsinitiative vor bald fünf Jahren ins Leben.

Die Filmbranche legte zugleich die aktuellen Zahlen der bei den Münchner "Internetagenten" P4M in Auftrag gegebenen Studie "Available for Download" fürs erste Halbjahr 2008 vor. Demnach ging die Zahl der im Internet verfügbaren Filme aus deutschen Kinos leicht im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozentpunkte auf 52 Prozent zurück. Eine kleine Verbesserung aus Sicht der Wirtschaft gibt es auch beim Zeitpunkt, an dem im Schnitt illegale Kopien nach Kinostart im Netz auftauchen. Dies war zwischen Januar und Juni nach 1,9 Tagen der Fall, während die Spanne 2007 noch bei 1,3 Tagen lag. Mit als Ursache für die Neuauflage des Kampagnen-Dauerbrenners gibt die Filmindustrie aber die Statistik an, wonach von den rechtswidrigen Filmveröffentlichungen im ersten Halbjahr 63 Prozent eine gute Bild- und 24 Prozent eine gute Tonqualität aufgewiesen haben sollen.

Siehe zu den "Three Strikes"-Vorschlägen auch:

Siehe zum Auskunftsanspruch bei Urheberrechtsverletzungen auch:

(Stefan Krempl) / (jk)