Energieeffizienz ist nicht alles bei "Green IT"

Ressourceneffizienz sei wichtig, aber was bisher noch nicht diskutiert werde, sei das Verbraucherverhalten, beklagte der Vertreter des Umweltprogramm der Vereinten Nationen.

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Von
  • Richard Sietmann

Ressourceneffizienz sei wichtig, aber was bisher noch nicht diskutiert werde, sei das Verbraucherverhalten, beklagte der Vertreter des Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), Arab Hoballah, in einer Keynote zur Eröffnung der dreitägigen Fachkonferenz Electronic Goes Green 2008 (EGG2008) am heutigen Montag in Berlin. "Die Elektronik hat die Art verändert, wie wir leben, arbeiten, lernen und spielen, aber den Nutzen hat davon zumeist nur die 'Internationale Konsumentenklasse'", erklärte Hoballah und forderte, "wir müssen uns von der Wegwerfgesellschaft verabschieden".

Der Leiter des Bereichs Produktion und Konsumtion bei der UNEP in Paris koordiniert derzeit die Ausarbeitung von Leitlinien zur "Resource Efficiency – Sustainable Consumption and Production" (RE-SCP), die politische Maßnahmen zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise in praktisch allen Bereichen von der Bau- und Landwirtschaft bis zum Tourismus umfassen und auf dem nächsten Weltumweltgipfel (WSSD) 2012 in Rio de Janeiro präsentiert werden sollen. In seiner Keynote regte Hoballah an, dass Deutschland eine Arbeitsgruppe zur Grünen Elektronik zu diesem Prozess beisteuert.

Zugleich warb er vor den rund 500 Teilnehmern aus 26 Ländern – von denen rund die Hälfte aus der Industrie und die andere Hälfte aus Wissenschaft und Politik kommen – das Thema der Ressourcenknappheit nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Produktangebots, sondern auch aus der Perspektive des Bedarfs zu sehen. Er plädierte für die Entwicklung einer Strategie der Suffizienz oder Genügsamkeit; an Technologien zur Lösung der Nachhaltigkeitsprobleme mangele es ja nicht: "Zum ersten Mal in der Geschichte ist das Angebot an Technologien größer als die Nachfrage", meinte er; "wahrscheinlich müssen wir nur etwas häufiger den gesunden Menschenverstand einsetzen".

Die "Electronic Goes Green" findet bereits zum dritten Mal statt. Stand auf der ersten Veranstaltung im Jahr 2000 noch das Thema 'bleifrei' im Mittelpunkt, 2004 dann Regulierungsfragen im Zusammenhang mit den WEEE- und RoHS-Richtlinien der EU zum Elektroschrott bzw. zu Stoffverboten umwelttoxischer Materialien, so hätte sich jetzt der Konferenzschwerpunkt "zu einem mehr ganzheitlichen Ansatz" verschoben, erklärte der Leiter des Frauhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM), Professor Herbert Reichl, als Veranstalter. In den insgesamt 150 Vorträge ginge es jetzt zunehmend um das "Ergrünen der Zulieferketten und das Ökomanagement", aber auch den Einsatz umweltfreundlicherer Materialien. Beispielsweise sei es heute schon möglich, funktional gleichwertige Leiterplatten aus dem natürlichen Holzbestandteil Lignin herzustellen; doch generell sei es, schränkte Reichl ein, "schwer, mit neuen Materialien in die Industrie vorzudringen".

Möglicherweise wird sich das mit dem neuen Ökodesign-Standard ändern, der im Technical Committee "Environmental Standardization for Electrical and Electronic Systems" (TC 111) der IEC zur Zeit vorbereitet wird. Der neue Entwurfsstandard "Environmentally Conscious Design for electrical and electronic products and systems" (IEC 62430) wird voraussichtlich schon in wenigen Monaten verabschiedet sein, kündigte der Sekretär der zuständigen WG 2 ("Umweltbewusster Entwurf") im TC 111, Yoshiaki Ichikawa von Hitachi, in seiner Keynote an.

"Der Standard", erläuterte er, "beruhte auf dem Denken in Lebenszyklen." Er soll künftig sicherstellen, dass die mit jeder Phase von der Auswahl der Komponenten über Herstellung, Vertrieb und Gebrauch bis zur Entsorgung verbundenen Umweltbelastungen in die Entwurfsentscheidungen einfließen. Dies setzt allerdings voraus, dass die entsprechenden Daten von allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. "Das Kernproblem", erklärte der Japaner, "ist das Teilen der Informationen". Mit IEC 62430 sei keine Konkurrenz zu den Qualitäts- und Umweltmanagementstandards ISO 9001 bzw. ISO 14001 beabsichtigt, betonte Ichikawa, vielmehr solle er diese in der Industrie etablierten Standards ergänzen.

Siehe zur Konferenz "Electronic Goes Green" auch:

(Richard Sietmann) / (jk)