Internet-Daten für die Arbeitsagentur: Online-Geschäfte von Hartz-IV-Empfängern im Visier

Verdienen Hartz-IV-Empfänger im Internet Geld, ohne es dem Jobcenter zu melden? Um dies herauszufinden, wünscht sich die Arbeitsagentur Zugriff auf entsprechende Internet-Daten. Die Kritik an dieser "Online-Rasterfahndung" ist deutlich.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 264 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Axel Hofmann
  • dpa

Ein Vorschlag zur Überwachung der Internetgeschäfte von Hartz-IV-Empfängern hat für Irritationen und Empörung gesorgt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bestätigte in Nürnberg entsprechende Pläne. Doch eine Umsetzung des Vorhabens ist zumindest fraglich. In einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte der Vorstoß schon im Sommer nur wenig Unterstützung gefunden.

Die Bild-Zeitung hatte berichtet, die Bundesagentur wolle Zugriff auf die Internet-Daten von Hartz-IV-Beziehern, um eventuelle Nebeneinkünfte aufzudecken – etwa aus Geschäften über die Verkaufs- und Auktionsplattform eBay. Eine BA-Sprecherin begründete dies auf Anfrage mit Leistungsmissbrauch durch Onlinehändler, die gleichzeitig Arbeitslosengeld II beziehen. "Es ist davon auszugehen, dass auch leistungsberechtigte Personen in nennenswertem Umfang Einkünfte in diesem Bereich erzielen, ohne dies dem Jobcenter mitzuteilen", meinte die Sprecherin. Der jährliche Schaden für die Behörde werde auf zehn Millionen Euro geschätzt.

In der gemeinsamen Arbeitsgruppe hatten Bundesregierung, Bundesländer, die BA und die kommunalen Spitzenverbände mehr als 100 Vorschläge zur "Rechtsvereinfachung" bei Hartz IV zusammengetragen. Darunter war auch die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, um Daten zu Einkünften aus dem sogenannten E-Commerce erheben zu können. Das geht aus einem Zwischenbericht der AG hervor, der dpa vorliegt.

Dem Bericht ist aber auch zu entnehmen, dass dieser Vorstoß der BA schon bei einem Workshop Ende Juli auf einige Vorbehalte gestoßen war. Neben der Arbeitsagentur unterstützten lediglich drei Ländervertreter das Vorhaben. Sieben Bundesländer waren strikt dagegen, die übrigen Länder enthielten sich – ebenso wie die Bundesregierung. Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums erklärte, die zahlreichen Vorschläge würden noch geprüft. Es wäre verfrüht, einzelne Punkte schon jetzt zu kommentieren.

Dennoch war die spontane Empörung am Donnerstag groß. Die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak von der Linken twitterte: "hartz IV ist ein freiheitsbeschränkungsgesetz (...) und das zeigt sich erneut." Der Vorsitzende der Piratenpartei, Bernd Schlömer, kritisierte: "Dass jetzt die Unschuldsvermutung aller Leistungsbezieher außer Kraft gesetzt werden soll, um mit einer verdachtsunabhängigen Online-Rasterfahndung möglicherweise hier und da ein 'schwarzes Schaf' zu finden, verstößt gegen das Grundgesetz."

Die Bundesagentur äußerte in der Arbeitsgruppe aber noch weitere Vorschläge zur Eindämmung von Leistungsmissbrauch. Unter anderem warb sie für eine Ausweitung des Datenabgleichs mit anderen Stellen – etwa mit Grundbuchämtern und Versicherungsunternehmen, um mehr über eventuelle Vermögensanlagen von Hartz-IV-Beziehern zu erfahren. Aber auch diese Vorschläge fanden in der AG nur wenig Unterstützung. Ein erweiterter Datenabgleich mit den Versicherungen fiel sogar bei sämtlichen Bundesländern durch. (jk)