OLG Frankfurt: Abofallen-Betreiber täuschen Verbraucher vorsätzlich

In Urteilen zu zwei Berufungsverfahren warf das OLG Frankfurt Abofallenbetreibern für Zivilgerichte ungewohnt deutlich vorsätzliche Täuschung von Verbrauchern vor.

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Von
  • Holger Bleich

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sieht in mehreren Abofallen-Seiten eine "arglistige Täuschung" im Sinne des BGB (Paragraf 123, Abs. 1). Die Richter verurteilten einen Betreiber solcher Nepp-Seiten in zwei Fällen unter anderem zur Unterlassung sowie zur Auskunft über die bislang erzielten Einnahmen. Sehr ausführlich und differenziert setzte sich die Kammer in ihrer Begründung zu den Berufungsurteilen vom 4. Dezember 2008 (Az. 6 U 187/07 und 6 U 186/07) mit der Thematik "Abofallen" sowie mit den Gewohnheiten von Websurfern auseinander.

Gegenstand der Verfahren waren die hinlänglich berüchtigten Abofallen-Sites gedichte-server.com, grafikarchiv.com und genealogie.de zum Stand September 2007. Die Sites wurden zwar damals formal schon von dubiosen britischen Limited-Firmen (Net Content Ltd. bzw. Genealogie Ltd.) betrieben, als "Director" tauchte im Impressum aber noch Michael Burat auf.

In beiden Verfahren am Frankfurter OLG war der Beklagte Burat abwesend und wurde von seinem Rechtsanwalt Bernhard Syndikus vertreten. Kläger war der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e. V. (DSW) aus Bad Homburg. Der DSW hält Burats Abo-Seiten für irreführend und wettbewerbswidrig. Das Gericht stimmte der Argumentation des Klägers in allen wesentlichen Punkten zu und kam zu Urteilen, die Richtung weisend für künftige Entscheidungen zur Thematik werden könnten.

Das OLG erkannte Verstöße gegen die Preisangabenverordung (PAngV) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Bei den beanstandeten Websites sei entgegen der Darstellung des Beklagten der Preis nicht leicht erkennbar, der Websurfer sei "über die Entgeltlichkeit der angebotenen Dienstleistungen irregeführt" worden. Ausführlich beschreiben die Richter, welches Verhalten ein gewöhnlicher Surfer bei seinen Streifzügen durchs Web an den Tag legt. So sei es beispielsweise "zu berücksichtigen, dass die situationsadäquate Aufmerksamkeit eines Durchschnittsverbrauchers, der im Internet surft und so auf die fraglichen Websites gelangt, eher gering ist". Zahlreiche Informationen nehme er "nur fragmentarisch" wahr.

Genau deshalb müsse er hinreichend deutlich auf eine Entgeltlichkeit hingewiesen werden. Der Nutzer könne nicht damit rechnen, dass bereits die Betätigung eines Eingabe-Buttons zu einer dreimonatigen vertraglichen Bindung führen soll. Der Sternchentext unter dem Eingabefeld, in dem auf die Kosten hingewiesen wird, "genügt bei weitem nicht, um einer Irreführung der Verbraucher entgegen zu wirken". Im Gegenteil geht der Surfer aus Gewohnheit laut Gericht davon aus, dass ein Sternchen am Eingabefeld "Bitte füllen Sie alle Felder vollständig aus!" eher einen Hinweistext enthält, der darüber informiert, welche Folgen es hat, wenn bestimmte Angaben unterbleiben. In den konkreten Fällen sei überdies der Sternchentext so gehalten gewesen, dass die ersten beiden Sätze des Sternchentexts "geeignet sind, die Lesebereitschaft des Internet-Nutzers erlahmen zu lassen." Dem Argument der Beklagten, dass ja viele Kunden "kommentarlos" gezahlt haben und sich daher wohl der Kostenpflichtigkeit bei Abschluss des Vertrags im Klaren waren, folgte das OLG nicht. Diese Kausalität vermochte es nicht zu erkennen.

Dann ging das OLG in seiner Begründung zur Thematik einen entscheidenden Schritt weiter als alle anderen Zivilgerichte bisher. Wörtlich heißt es: "Unterstellt man, dass die Verbraucher die Preisangabe erkennen, so erhebt sich die Frage, was einen Verbraucher in Kenntnis der Vergütungspflichtigkeit veranlassen sollte, mit einer dreimonatigen Vertragsbindung für ein nicht unerhebliches Entgelt eine unterhaltungsbezogene Leistung in Anspruch zu nehmen, deren Werthaltigkeit er im Voraus nicht prüfen und nicht verlässlich einschätzen kann." Auf diese Frage gibt das Gericht indirekt selbst die Antwort: Nichts! Und weil ein anderes "Geschäftskonzept" des Abofallen-Betreibers nicht plausibel erscheint, spricht nach Ansicht der Richter alles für die Annahme der arglistigen, also vorsätzlichen Täuschung der Verbraucher. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte "ein auf Täuschung und wirtschaftliche Schädigung von Verbrauchern angelegtes Verhalten als rechtlich zulässig gehalten haben könnte."

Der DSW hat nun vor, das vom OLG zugebilligte Recht auf Auskunftserteilung zu den Einnahmen der Abzocksites wahrzunehmen. Außerdem möchte man zugunsten der Staatskasse ein Gewinnabschöpfungsverfahren einleiten. Das dürfte nicht so einfach werden, da die Sites im Impressum längst eine neue Limited-Firma als Betreiber angeben ("Go Web Ltd."). "Das soll uns davon nicht abbringen", erkärte DSW-Rechtsanwalt Peter Solf gegenüber heise online. Zwar hat das OLG zu den Berufungsverfahren keine Revision am Bundesgerichtshof zu gelassen, dennoch sind die Urteile noch nicht rechtskräftig. Der Grund: Die Beklagten haben eine Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht, um doch noch ein Revisionsverfahren zu erreichen – und wohl Zeit zu gewinnen. (hob)