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Was war. Was wird.

Sweet home ... Ja, was denn? Hannover? My Castle? Oder was? Hal Faber ist verwirrt; da geht er mal lieber grüne Welle gucken und Adblocker busten.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Regelmäßige Leser dieser kleinen Wochenschau wissen, dass der Verfasser ein Fan der norddeutschen Tiefebene ist, ebenso ein Fan des kleinen kostenbewussten Verlages, der in der pulsierenden Metropole der Niedersachsen zu Hause ist und informationstechnische Hilfsleistungen aller Art vertreibt. Auch die heutige Wochenschau ist ausnahmsweise eine Hilfsleistung. Blogger würden von einem Komm-Befehl sprechen: Wanderer, komm doch nach Hannover, komm doch zur CeBIT! Mach die CeBIT wieder grün wie das Forum zu einem vollendeten Betrüger.Noch ist diese CeBIT eine eigene Veranstaltung mit dem roten Logo späterer Jahre, doch wenn die IT-Schwindsucht weiterhin grassiert, wird man die Messe bald platzsparend in einem natürlich grünen ÜSTRA-Wagenzug unterbringen können, für den man ohnehin Eintritt bezahlen muss. Nehmen wir nur die Präsenz des CeBIT-Partners Kalifornien mit all seinen Erfinder-Garagen, Googleplexen und Siliziumtälern. Sie wird ausgesprochen mickrig ausfallen. 20 kleinere Firmen wird ein kleiner kalifornischer Gemeinschaftsstand beherbergen, ein Häuflein, das Conan der Barbar mit einem einzigen Schwerthau plattmachen würde.

*** Keine Panik. Noch haben wir ja Microsoft, das auf der CeBIT mit dem wirklich seltsamen Slogan Unternehmenserfolg ist Jedermanns Business antritt. Angeblich hat Bachmann Turner Overdrive mit Taking care of business die Anregung gegeben, passend zum Web 2.0: "And we're all self-employed. We love to work at nothing all day ..." Wie wahrer Unternehmenserfolg aussehen kann, weiß Microsoft natürlich: Die Microsoft-Zentrale in Redmond hat ganz offiziell die Firma Siemens in München mit "Beratungsleistungen für die Korruptionserkennung, -Behandlung und -Vermeidung" beauftragt. Der Vertrag soll im einstelligen Millionenbreich liegen, aber ausbaufähig sein. Eine Windows-Windows Situation gewissermaßen: Was Siemens an Schmiersummen zum Fenster rausgeworfen hat, kann es mit Beratungsleistungen wieder einnehmen. Leider können wir hier mit den Bayern nicht mithalten. In der norddeutschen Tiefebene kann man nicht einmal für schlechte Einführungen in Computerprogramme bestraft werden, die so schlecht waren, dass Hard- wie Software beschädigt wurden. Dafür haben wir für eine probate Beschäftigung für Jedermann, nämlich Islamisten ausgucken. Die Schweinezucht war schon immer ein bedeutsamer Exportfaktor bei uns in Niedersachsen.

*** Dafür können wir Deutschen endlich einmal locker den Finnen zeigen, wo der Bembel hängt. Eine Lex Nokia brauchen wir nicht, die Vorratsdatenspeicherung ist genau dafür da. Wie wäre es, wenn der größte Telefonbäcker mit seiner Zentrale nach Bochum zieht? Den mahnenden Kunstsee ums Gebäude, komplett mit einem symbolisch abgesoffenen Boot zahlt der anerkannte Firmenlenker, der reuige Blogwart und Blitzentschuldiger Hartmut Mehdorn, der nicht nur die Bahn, sondern auch die Vorratsdatenspeicherung privatisieren möchte. Was bitte, ist denn eigentlich so schlimm daran, etwas Data Mining mit den Daten von 220.000 Mitarbeitern zu machen? Das passiert mit den Daten der Bahncard-Besitzer auch fortlaufend: "Jedes Mittel ist uns recht, die Pünktlichkeit der Bahn zu steigern."

*** Es empfiehlt sich, die aktuelle Bahn-Blockade aus der Sicht des Bloggers Markus Beckedahl zu lesen. Nicht nur, weil er im Zuge der Auseinandersetzung fortan als Journalist geführt wird, eine juristische Einschätzung, die für viele Blogger wichtig sein kann. Auch die "Welle" an Reaktionen im Internet, komplett mit den Tröten, des Web 2.0 zeigt an, wie sehr das Internet die Öffentlichkeit verändert. Nun hat der David der deutschen Publizistik zugeschlagen und den neuen Freitag auf Papier und im Internet vorgestellt. Die erste Ausgabe ist mit "Klick den Kanzler" und dem Untertitel "Die Wähler müssen jetzt nur noch mit der Maus die Macht übernehmen" eine typische Flunkerei des Web 2.0, aber die Richtung ist klar und erfreulich, komplett mit einer Mitmachkomponente, die aus Lesern Blogger machen soll. Möge das gewählte Modell auch kommerziell erfolgreich sein und David König werden. Zweifel gibt es natürlich, wenn gleich das erste Leser-Blog das Erlösmodell mit einem Hinweis in die Tonne tritt. Jajaja, so leidet auch der kleine Verlag in der norddeutschen Tiefebene darunter, dass 25 Prozent aller Besucher seiner Site mit eingeschaltetem Adblocker aufkreuzen und damit die Einnahmen empfindlich schmälern. Schließlich ist das hier ein echtes Tiefebenen-Angebot, ohne Interstitials, Pop-ups, es gibt keine überdeckende Werbung und ähnlichen Scheiß. Dezente Werbung eben, doch steigt die Zahl der Blocker an. Die Welt ist ungerecht.

*** Leb wohl, leb wohl Poet
Eh noch der Condor an Ketten geht
reißt er sich das Bein mit den Ketten raus,
schwingt sich in den Himmel und blutet aus.

Pablo Neruda starb zwar an Krebs, doch mit So starb auch Neruda hat Kurt Demmler etwas von seinem Abschied vorweggenommen. Der große deutsche Volksdichter hat sich in einer Zelle erhängt. Etliche Male waren Demmlersongs in dieser Wochenschau ein Thema, weil er nicht von den Hetzern einer bekannten Boulevardzeitung zur Strecke gebracht werden wollte, weil er nicht über die ihm vorgeworfenen Missbrauchshandlungen aussagen wollte. Früher war das alles kein Thema, auch seine Vorlieben für jüngere Mädchen, die bereits bekannt waren, als es noch die DDR gab. Showbusinessklatsch halt. Wie es um ihn stand, hat er zuletzte einem Blogger geschrieben. Jetzt wird der Mann, dem wir die Anti-Stasi-Hymne "Irgendeiner ist immer dabei" verdanken, von den gängigen Berufsverurteilern abgewatscht, von Psychologen und anderen Glückskartenlesern zum Monster verzerrt, in der ****-Zeitung zur Strecke gebracht, während sie sich vorher niemals um die Diagnose scherte, dass dem manisch-depressiven Künstler auch mit einer Therapie geholfen werden muss. Wer denkt noch an das wunderbare Lied, das er Maria sang? Oder an den Blues von der letzten Gelegenheit, mit der er das ewige Thema vom Eingesperrtsein in diesem unseren Land so verpackte, dass alle die Nachricht kapierten, die hören konnten und nicht verblödet waren. Und eingesperrt waren alle, auch der Westen, mit dem mächtigen Klotz namens DDR am Bein.

Warum lässt du den fliegen
vielleicht die letzte Gelegenheit,
Aber ich fing ihn nicht.
"Mutter", sag ich, "eben darum,
weil er jung ist und so schön.
Soll er fliegen weit in die Welt,
dass kein Ring ihn drückt oder hält!"
Darum fang ich ihn nicht.

Was wird.

Ich werde mich damit abfinden müssen, dass der eine oder andere nicht die CeBIT, nicht Hannover, nicht diese kleine Wochenschau, aber Werbung zum Kotzen findet. Zum Glück gibt es noch für alle Alternativen, etwa den Kauf von Blättern aus dem erwähnten kleinen Verlag oder die Wahl spezieller Feeds. Schwierig ist nur, eine Alternative für das wunderbare Hannover zu finden. Wie wäre es mit Berlin? Da gibt es viele interessante Veranstaltungen gleich nächste Woche, etwa eine Anhörung zu Internet-Filtern und einen kuscheligen europäischen Polizeikongress, der Grundzüge einer europäischen Sicherheitsarchitektur festklopfen soll. Schließlich hat der Deutschmarrokaner Bekkay Harrach wüste Bedrohungen in einem Video ausgestoßen und "Überraschungspakete für die Besatzungsmacht in Afghanistan" angekündigt. Zur Bundestagswahl soll der Abzug der Bundeswehr aus dem Land in die öffentliche Debatte gesprengt werden. Ob auch diesmal wieder die Sprengzünder von einem Geheimdienstmann kommen?

Bekanntlich bereitet sich Berlin langfristig nicht nur mit einem Problembär auf die Leichtathletik-WM vor, sondern auch auf das Jubiläumsfest des Grundgesetzes vom 22. bis 24. Mai. Mittendrin, am 23., die Wahl des Bundespräsidenten. Was es sonst noch gibt? Zu den Feierlichkeiten gehört ein Boulevard der Marken mit Nivea und Erdal und, als Höhepunkt, ein Car-Walk, vulgo die "Parade von Deutschlands schönsten Autos". So zeigt die Hauptstadtpolitik, was sie vom Grundgesetz hält: nichts. Das gilt ohnehin nur noch in Karlsruhe. Messetechnisch finde ich freilich nur die Tattoo Convention. Vielleicht ist doch die CeBIT die bessere Wahl? Hat schließlich eine Webciety und den seltsamen Slogan "Internet is coming Home". Ha! Home! Ein Lied, zwo, drei vier: Sweet Home Hannover, Where the skies are so blue. Sweet Home Hannover, Lord, I'm coming home to you. (Hal Faber) / (jk)