Grüne wollen Rundfunk bei der Neuaufteilung des Funkspektrums bevorzugen

Im Streit über die Parzellierung der "digitalen Dividende" im Rahmen der geplanten Novelle des Regulierungsrahmens für den Telekommunikationsmarkt wollen die Grünen "meinungsbildenden" Angeboten Vorrang geben.

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Der Streit um die sogenannte "digitalen Dividende" des Funkfrequenzspektrums ist noch lange nicht beendet; mit der digitalen Dividende sind Frequenzen gemeint, die durch den Umstieg von analoger auf digitale Übertragungstechnik frei werden. Bei der Neuordnung des Funkfrequenzspektrums und der Aufteilung der "digitalen Dividende" im Rahmen der geplanten Novelle des Regulierungsrahmens für den Telekommunikationsmarkt wollen die Grünen "meinungsbildenden Diensten" und den klassischen Rundfunksendern Vorrang einräumen. Dies erklärte Rebecca Harms, stellvertretende Vorsitzende der Oppositionspartei im EU-Parlament und Mitglied im dortigen federführenden Industrieausschuss, gegenüber heise online nach einem Fachgespräch mit Vertretern von Verbänden, Telcos, der öffentlich-rechtlichen sowie der privaten Sendern und Datenschützern in Berlin. Die EU-Kommission sei mit ihrem "Überoptimismus", was die Verteilung der Frequenzen angeht, bei der Runde "sehr unter Druck geraten".

Die Brüsseler Behörde wollte mit ihrem ursprünglichem Paket den Zugang für Betreiber erleichtern und die Frequenzbänder marktorientierter belegen. So sollte es keine Rolle mehr spielen, welche Technik für eine bestimmte Bandbreite benutzt wird. Umgekehrt war geplant, dass jeder elektronische Kommunikationsdienst jede Frequenz nutzen darf. Außerdem sollte unlizenzierter Gebrauch von Frequenzen in höherem Ausmaß als bisher möglich sein. Exklusive Nutzungsrechte wollte die Kommission in vereinbarte Frequenzbereiche übertragen. Für Unternehmen, die ihre Dienste europaweit anbieten wollen, sollten die Vergaberegeln effizienter und einheitlicher gestaltet werden. Für durch die Digitalisierung freiwerdende Kapazitäten konnte sich Medienkommissarin Viviane Reding vorstellen, sie für Dienste wie ein breitbandiges mobiles Internet zu nutzen.

Die Grünen hatten frühzeitig ihre Skepsis gegenüber einem derartigen stark marktorientierten Ansatz durchblicken lassen. Im sich inzwischen abzeichnenden Verteilungskampf um die "digitale Dividende" wollen sie nun vor allem auf bewährte Nutzungskonzepte setzen. Zunächst sei zu klären, "wer wie viel Megahertz wofür braucht", und dann könne man schauen, wie viel Spektrum nach dem Abzug von Interferenzproblemen "noch übrig bleibt und was damit gemacht werden soll". Die Telecoms seien zwar "etwas geknickt" gewesen, da ihnen die Linie der Kommission mehr zugesagt habe. Wichtig sei ihnen aber vor allem Planungssicherheit bei der Frequenzvergabe, um in der zweiten Runde eine Ausstattung der Kunden mit neuen Geräten anzugehen.

"Es geht nicht um eine Ausnahmeregelung für den Rundfunk", erläuterte Helga Trüpel, stellvertretende grüne Leiterin des Kulturausschusses im EU-Parlament. "Wir hantieren aber mit einem öffentlichem Gut." Radio und Fernsehen müssten daher Möglichkeiten haben, "sich weiter zu entwickeln und nicht ins kulturhistorische Museum abzuwandern". Zugleich sollten jedoch auch neue Anbieter eine "faire Chance haben". Es sei also eine "gute Balance" zwischen den Interessen beider Seiten zu finden.

Der bei dem Gespräch vor allem debattierte Parlamentsbericht (PDF-Datei) von Catherine Trautmann zu einem Teil des geplanten "Telecom-Pakets" stieß laut Harms bei den versammelten Experten in diesem Sinne allgemein auf viel Zustimmung. Die französischen Sozialistin setzt auf einen "kombinierten Politik- und Marktansatz" bei der Frequenzreform und erteilt einer "absoluten Harmonisierungsagenda" eine Absage. Sie plädiert für einen schrittweisen Wandel bei der Frequenzaufteilung unter den Bedingungen von Technologie- und Dienstneutralität, bei der die Kommission eine koordinierende Rolle einnehmen soll. Frequenzhandel betrachtet Trautmann als freiwillige Sache, die im Einklang mit der primären Nutzung des jeweiligen Frequenzbandes stehen sollte.

Einigkeit besteht Harms zufolge im Parlament und unter Interessensvertretern, dass es die von der Kommission gewünschte übergeordnete EU-Regulierungsbehörde "nicht geben wird". Dies sei auch der "schlechten Vorbereitung und Begründung" dieses Vorschlags durch die Brüsseler Behörde geschuldet. "Wir halten eine Ko-Regulierung mit einem noch auszugestaltenden Veto-Recht der Kommission für angemessenen", unterstützte Harms den Ruf aus dem EU-Parlament zur Einrichtung eines unabhängigen Beirats europäischer Regulierer. Beim Thema Datenschutz wollen die Grünen erst die Stellungnahme der "Artikel 29"-Gruppe europäischer Datenschutzbeauftragter abwarten. Die ins Gespräch gebrachte Verpflichtung für eine Meldung von Sicherheitsbrüchen und Datenpannen ist Harms zufolge aber auf jeden Fall unterstützenswert. (Stefan Krempl) / (jk)