Oppositionsparteien beäugen neue Brüsseler TK-Regulierung skeptisch

Vertreter von Grünen und FDP kritisieren die Vorschläge der EU-Kommission zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes: fürchten die einen zu viel Liberalisierung, sehen die anderen keine Anreize für mehr Wettbewerb.

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Vertreter von Grünen und FDP haben die Vorschläge der EU-Kommission zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes kritisiert. Während die eine Partei ein Zuviel an Liberalisierung fürchtet, sieht die anderen keine ausreichenden Anreize für mehr Wettbewerb. "Meinungsfreiheit, Medienvielfalt und die öffentlich-rechtlichen Sender müssen sich weiter entwickeln können", forderte Helga Trüpel, stellvertretende grüne Leiterin des Kulturausschusses im EU-Parlament, gegenüber heise online. Der Medienexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Joachim Otto, zeigte derweil vor allem Skepsis gegenüber der geplanten neuen "Superbehörde" für die Regulierung. Er monierte, dass es schon auf nationaler Ebene ein Problem mit zu vielen Wächtern im TK- und Medienmarkt gebe. Die möglichen Vorteile einer weiteren zentralen Institution stellte er in Frage.

EU-Kommissarin Viviane Reding will im Lauf des heutigen Dienstags ihr "Telecom-Paket" offiziell vorstellen. Die Grundzüge hat sie selbst aber schon weithin bekannt gemacht. Kern ist die Einrichtung einer europäischen Regulierungsbehörde, um einen echten einheitlichen Binnenmarkt im Telco-Sektor zu schaffen. Veränderungen soll es auch bei der Vergabe von Frequenzen geben, die heute von Radio- und Fernsehanbietern genutzt werden. Für die durch die Digitalisierung freiwerdenden Kapazitäten kann sich Reding unter anderem vorstellen, sie für Dienste wie ein breitbandiges mobiles Internet zu nutzen. Noch unklar ist, inwieweit damit die Verpflichtung zur Grundversorgung mit Telekommunikationsmöglichkeiten vom Angebot eines Sprachtelefonie-Anschlusses auf eine Internet-Breitbandversorgung ausgedehnt werden soll. Generell schwebt Reding ein kommerzieller Handel mit Funkfrequenzen vor. Elf von 18 Einzelmärkten sollen zudem nicht mehr reguliert werden.

Deutsche Fachpolitiker der Grünen aus dem EU-Parlament haben sich am Montag angesichts der Tragweite des Regulierungspakets bereits im Vorfeld bei einem Arbeitsgespräch einen Überblick über die Befindlichkeiten der Betroffenen verschafft. Zugegen waren Vertreter größerer Telcos wie der Deutschen Telekom oder Vodafone genauso wie von Medien (ARD, RTL) und Computerfirmen (Cisco). Dazu kamen Abgesandte von Branchenverbänden wie dem Bitkom oder dem VPRT (Verband Privater Rundfunk und Telemedien) sowie von Landesmedienanstalten.

Den größten Streit gab es dabei in der Frage der Verteilung der " digitalen Dividende". "Jeder will die freiwerdenden Frequenzen haben", berichtete Rebecca Harms stellvertretende Grünen-Vorsitzende und Mitglied im federführenden Industrieausschuss der europäischen Völkervertretung, von der Tagung. Hier müsse aber darauf geachtet werden, welches Angebot tatsächlich zur Meinungsvielfalt beitrage. Reding dürfe sich nicht mit ihrer Haltung durchsetzen, "nur noch die Marktinteressen walten zu lassen". Die Medien- und Regulierungspolitik müsse weiter klar auch an den verbreiteten Inhalten anknüpfen, die Sonderstellung etwa von ARD und ZDF hierzulande beibehalten werden. Klar ist für Harms auch, dass der Grundversorgungsauftrag aufs Internet auszudehnen ist.

Für Trüpel ist es zudem unerlässlich, den Umfang der digitalen Dividende genau feststellen zu lassen. Die Grüne geht davon aus, dass weniger vom Kuchen zu verteilen sein könnte, als vielfach angenommen. Der Kommission dürfe man jedenfalls mit ihren Zahlenspielen "nicht auf den Leim gehen". Sehr suspekt ist Trüpel zudem, dass die Kommission mit einer neuen Aufsichtsbehörde mehr Macht an sich reißen wolle. Hier müsste es zumindest klar festgeschriebene Mitspracherechte für die Mitgliedsstaaten geben.

An diesem Punkt sind sich Grüne und Liberale einig. "Die EU-Kommission sollte deshalb bei der Novellierung der Richtlinien im Telekommunikationssektor sehr behutsam vorgehen", warnt Otto von der FDP. Handlungsbedarf, der vordringlich auf nationaler Ebene bestehe, könne nicht auf europäischer Ebene aufgelöst werden. Erster Schritt müsse hier sein, auf nationaler Ebene eine einheitliche und effektive Aufsicht für den konvergierenden Medien- und TK-Markt zu schaffen. Die Aneignung von Kompetenzen in Brüssel dürfe "nicht zum Selbstzweck verkommen". Auch die nationalen Regulierer selbst stemmen sich bereits erwartungsgemäß gegen die geplante europäische Aufsicht.

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(Stefan Krempl) / (jk)