Nach neuer Telekom-Datenpanne: Kritik an Konzernführung wächst

Die Telekom sehe ihr Zukunftsgeschäft im Datentransfer, verhalte sich aber wie eine Klitsche, die von einer Garage aus agiere, sagte T-Mobil-Aufsichtsrat Ado Wilhelm, nachdem am Wochenende ein massives Datenleck bei Kundendaten bekannt wurde.

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Von
  • Martin Murphy
  • dpa

Nach Bekanntwerden der neuerlichen Datenpanne wächst in der Deutschen Telekom die Kritik an der Konzernführung. "Da verliert ja der letzte Kunde sein Vertrauen", sagte T-Mobile-Aufsichtsrat Ado Wilhelm der Frankfurter Rundschau. "Unsere Mitarbeiter werden mit Hohn und Spott überschüttet." Die Telekom sehe ihr Zukunftsgeschäft im Datentransfer, verhalte sich aber wie eine Klitsche, die von einer Garage aus agiere, sagte Wilhelm der Zeitung. Telekom-Chef René Obermann erwecke den Eindruck, als seien Mitarbeiter an dem Desaster schuld, die besser geschult werden müssten.

Wilhelm sagte, verantwortlich für die Strukturprobleme sei die Konzernführung. Der Vorstand müsse personelle Konsequenzen ziehen, wenn ständig Pannen aufträten. Der Aufsichtsrat werde über die Datenpannen regelmäßig im Dunkeln gelassen. Als Haupteigentümer hätten das Bundesfinanzministerium und die Kreditanstalt für Wiederaufbau eine Verpflichtung, einzugreifen.

Die Grünen im Bundestag kritisierten: "Weder die Kundendaten noch die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung (im Auftrag des Staates) massenhaft gespeicherten Verbindungdaten sind bei der Deutschen Telekom sicher." Der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck verlangte in einer Mitteilung deshalb den Stopp der Vorratsdatenspeicherung. Die Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau (Linke), forderte in einer Mitteilung mehr Datenschutz. Die FDP kritisierte eine "immer weiter gehende Auswertung und Überwachung" der Bürger. Nach dem umstrittenen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung sollen Telefonfirmen seit Anfang des Jahres technische Daten von Gesprächen sechs Monate lang speichern. Ab 2009 wird auch die Kommunikation über das Internet erfasst. Gesprächsinhalte werden nicht gespeichert.

Bei der Telekom selbst jagt seit Tagen eine Krisensitzung die nächste. Experten und Manager des Konzern suchen nach neuen Lücken in den Sicherheitssystemen der Kundendatenbanken und schließen bereits bekannte. Offenbar keine einfache Aufgabe, denn alleine in Deutschland sind Adressen, Bankdaten und Telefonnummern von 30 Millionen Festnetz- und 38 Millionen Handy-Kunden abgespeichert. Die Menschen stellen sich nun die Frage, wie sicher ihre vertraulichen Daten bei der Telekom wirklich sind. Wie einfach die Systeme zu überlisten sind, bewiesen Rechercheure des Spiegel. Über einen externen Rechner verschafften sie sich Zugang zu Kundendaten bei T-Mobile und konnten Datensätze ändern.

Dem Missbrauch ist damit Tor und Tür geöffnet, denn geändert werden konnten sogar Bankverbindungen und Vertragslaufzeit. Hingewiesen auf die Löcher in der Sicherheit reagierte Telekom-Chef René Obermann am vergangenen Donnerstag und erhöhte den Sicherheitsstandard. Die Mitarbeiter in den Telekom-Filialen können an die Daten nur noch mit Hilfe eines einmaligen Passworts, das den Kunden auf Anfrage zugeschickt wird. In einem Brief an die Mitarbeiter verfügte die Konzernführung zudem, dass alle Beschäftigten neue Zugangspassworte erhalten. Zugleich mahnte die Chefetage zur erhöhten Wachsamkeit vor neugierigen Journalisten, die neue Lecks suchen könnten.

Der Bonner Konzern wird schon seit Monaten von einer Serie von Datenpannen erschüttert. Im Mai wurde bekannt, dass Journalisten und Aufsichtsräte ausspioniert wurden, dann folgten Sicherheitslöcher und Diebstähle von Kundendaten. Sieben Fälle von Datenklau brachte die Telekom seit 2006 zur Anzeige, die Ermittlungen laufen noch oder sollen wie beim Diebstahl von 17 Millionen T-Mobile-Kundendatensätzen neu aufgerollt werden.

Konfrontiert mit immer neuen Datenlecks war Telekom-Chef Obermann am Freitag in die Offensive gegangen: Er will eigens einen Vorstand für Datenschutz schaffen, der zügig seine Arbeit aufnehmen soll. Überprüft wird auch die Sicherheit weiterer Datenbanken, gut möglich, dass weitere Lecks auftauchen. Viel Zeit darf Obermann nicht verlieren, denn die Kunden werden ungeduldig. Er betont zwar, dass erst rund 100 Mobilfunkkunden ihren Vertrag wegen der Pannen gekündigt hätten, die Gewinnung neuer Kunden wird aber nicht einfacher. Der Bild-Zeitung sagte Obermann, er habe sich persönlich bei einigen prominenten Opfern des Datendiebstahls entschuldigt. Unter ihnen waren der Fernsehmoderator Günther Jauch und TV-Koch Johann Lafer.

Aber auch Großkonzerne wie Daimler, Shell und die WestLB stellen Fragen. Sie alle sind Kunden der Geschäftskundensparte T-Systems und durch die jüngsten Vorfälle aufgeschreckt. Sie haben in den Rechenzentren von T-Systems wichtige Betriebsgeheimnisse oder etwa Bankdaten gespeichert. Auch viele Behörden vertrauen auf die Dienste der Telekom. Der Konzern versucht mit umfangreichen Informationen mögliche Bedenken der Kunden zu zerstreuen. "Bei uns sind die Daten sicher", sagt ein T-Systems-Sprecher. Missbrauchsfälle sind nicht bekannt.

Die sensiblen Rechenzentren von T-Systems gleichen Hochsicherheitsgefängnissen; sie sind auch gegen Feuer geschützt. Wer von extern auf die Daten zugreifen kann, wird von den Kunden bestimmt. Und hier liegt auch die Ursache für die Datendiebstähle bei T-Mobile, die von T-Systems wie ein externer Kunden betrachtet wird. Die Verantwortlichen der Mobilfunksparte hatten die Zugänge bis vergangenen Donnerstag unzureichend sichern lassen und damit einen Missbrauch ermöglicht.

Eigentlich verwunderlich, denn die Telekom weiß, welchen Wert ihre Daten haben. Immerhin hat sie mit der SAF-Gruppe eine Tochter gegründet, die mit den sensiblen Daten Geschäfte macht. Über das Internetportal von SAF können die Kunden das Zahlungsverhalten jedes Telekom-Kunden überprüfen. Gehandelt wird auch mit Telefondaten und E-Mail-Adressen. Ganz legal, wie das Unternehmen beteuert.

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(Martin Murphy, dpa-AFX) / (jk)