Britisches Berufungsgericht erleichtert Patentierbarkeit von Software

Der Court of Appeal hat eine Entscheidung des britischen High Court bestätigt, wonach die Ablehnung eines Patentantrag von Symbian auf ein Indexverzeichnis für Bibliotheksfunktionen nicht rechtens war.

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Das britische Berufungsgericht hat die Patentierbarkeit von Software erleichtert. Der Court of Appeal hat in dem entsprechenden Beschluss aus der vergangenen Woche eine vorausgegangene Entscheidung des High Court bestätigt, wonach die Ablehnung eines Patentantrags von Symbian auf ein Indexverzeichnis für Bibliotheksfunktionen in einem Betriebssystem durch das UK Intellectual Property Office (IPO) nicht rechtens war. Demnach legten die Patentprüfer bei der Betrachtung des "technischen Effekts" der Erfindung des Herstellers von Software für mobile Endgeräte eine zu "enge" Sichtweise an den Tag. Die Berufungskammer unter der Führung von Sir Robin Jacob will damit die als "absurd" beschriebenen Diskrepanzen zwischen dem IPO und dem Europäischen Patentamt (EPA) ein Stück weit ausräumen und die Patentierungspraxis auf der Insel und dem Kontinent stärker in Einklang bringen.

Der Rechtsstreit zieht sich bereits eine Weile hin. Das britische Amt für geistiges Eigentum hatte den Patentantrag von Symbian mit der Nummer GB 0325145.1 im Juli 2007 mit der Begründung zurückgewiesen (PDF-Datei), dass sich der Schutzanspruch auf eine reine Software beziehe. Computerprogramme seien aber generell im britischen Recht sowie von der Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) "als solche" von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Es sei daher gar nicht nötig, die weitere Erfordernis eines möglichen "technischen Charakters" der Erfindung zu prüfen. In dem Antrag geht es um Schutzrechte auf das Zusammenspiel von Dynamic Link Librarys (DLL) mit dem Symbian-Betriebssystem. Damit sollen Programme etwa auf Mobiltelefonen schneller ablaufen können.

Die mittlerweile vollständig von Nokia übernommene Symbian-Gruppe legte gegen die Entscheidung Widerspruch beim High Court ein, der sich im März auf ihre Seite stellte. Es gebe auf Basis des EPÜ keinen Grund, Computerprogrammen generell den gewerblichen Rechtsschutz zu versagen, meinte die Kammer damals. Vielmehr müsse von Fall zu Fall der technische Effekt geprüft werden und anhand dessen bestimmt werden, ob es sich um eine patentierbare Erfindung oder um einen Anspruch auf einen Software als solche handle. Von der von Symbian ausgearbeiteten Lösung werde auf jeden Fall ein "technisches Problem in einem Computer" angegangen, sodass der Einspruch des Betriebssystemsproduzenten gerechtfertigt sei. Dieser Meinung schloss sich das Berufungsgericht nun an.

Das EPA vergibt in seiner weiten Auslegung des EPÜ bereits seit Langem Patente auf die umstrittenen "computerimplementierten Erfindungen". Die technischen Beschwerdekammern der Münchner Behörde kommen immer wieder zu Entscheidungen, wonach etwa bei der "Verbesserung des Kontrastes von einem Bild" oder bei der effizienteren Aufteilung von Arbeitsspeicher durch eine auf einem Computer laufende Softwarelösung von einem "technischen Effekt" auszugehen und Patentschutz zu gewähren sei. Dieser Grundsatz soll nun auch in Großbritannien laut dem Berufungsgericht stärker berücksichtigt werden. Die Richter sahen dabei auch keinen Widerspruch zu ihren vorherigen Entscheidungen in den Fällen Macrossan und Aerotel. Dabei hatten sie einerseits einen Patentanspruch auf eine Geschäftsmethode zurückgewiesen, andererseits aber einen gewerblichen Rechtsschutz für ein System zur Abrechnung von Telekommunikationsdienstleistungen im Prepaid-Verfahren bestätigt.

John Collins, Patentanwalt bei der Kanzlei Marks & Clerck, bezeichnete den Beschluss der Berufungsrichter als "wichtigen Schritt zur Harmonisierung des britischen und europäischen Ansatzes zur Patentierbarkeit von Software". Entwickler in Großbritannien hätten sich früher mit einer viel engeren Auslegung dieser Frage auseinandersetzen müssen und "sollten die Nachricht begrüßen". Nun gehe es wieder um den "technischen Test", um zwischen reiner Software und anspruchsvolleren Erfindungen im Computerbereich zu unterscheiden. Generell erhöht die Entscheidung den Druck auf Brüssel, sich klar für oder gegen den Ausschluss von Computerprogrammen von der Patentierbarkeit zu positionieren. Nach einer langem Lobbyschlacht hatte das EU-Parlament in dieser Frage einen Entwurf für eine Richtlinie zum gewerblichen Rechtsschutz für "computerimplementierte Erfindungen" im Juli 2005 beerdigt.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)