Europäischer Gerichtshof legt Datenbankschutz weit aus

Nach Ansicht des EuGH kann das Kriterium der verbotenen Übernahme wesentlicher Elemente aus einer Datenbank auch dann erfüllt sein, wenn dafür kein gesonderter technischer Kopiervorgang erfolgt.

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit einem Urteil (Rechtssache C‑304/07) vergangene Woche erstmals mit der Tragweite der umstrittenen EU-Richtlinie zum rechtlichen Schutz von Datenbanken auseinandergesetzt und das eigenständige Schutzrecht dabei recht weit ausgelegt. Nach dem Beschluss kann das Kriterium der verbotenen Übernahme von Elementen aus einer Datenbank auch dann erfüllt sein kann, wenn dafür kein gesonderter technischer Kopiervorgang erfolgt. Schon die Bildschirmabfrage einer Datenbank und eine damit verknüpfte "Entnahme" einzelner Teile sei gegebenenfalls vom Hersteller der Informationssammlung zu untersagen. Entscheidend sei letztlich, ob ein "wesentlicher Teil" des Inhalts der geschützten Datenbank übertragen werde.

Konkret ging es in dem Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) dem EuGH vorlegte, um eine im Internet veröffentlichte Liste von über 1000 der "wichtigsten Gedichte der deutschen Literatur zwischen 1730 und 1900". Die von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg erstellte Anthologie ist Teil des von Professor Ulrich Knoop geleiteten Projekts "Klassikerwortschatz". Die Hochschule sah sich durch den Vertrieb einer CD-ROM mit dem Titel "1000 Gedichte, die jeder haben muss" durch die Firma Directmedia in ihren Rechten verletzt. Von den Gedichten auf der Silberscheibe werden 856 auch auf der in Freiburg erarbeiteten Liste aufgeführt.

Die Berliner Directmedia Publishing GmbH hat dem EuGH zufolge zwar eingeräumt, sich bei der Zusammenstellung der poetischen Werke an dem Verzeichnis orientiert zu haben. Man habe jedoch in Eigenregie die getroffene Auswahl überprüft, einige der angeführten Gedichte weggelassen, andere hinzugefügt. Die Texte selbst seien eigenem digitalen Material entnommen worden.

Der Bundesgerichtshof gab der Klage Knoops als Schöpfer eines "Sammelwerks" in Datenbankform prinzipiell statt. Die Auslegung der Datenbankrichtlinie wollte der BGH aber dem EuGH überlassen. Der wies nun darauf hin, dass der Hersteller einer öffentlichen Informationssammlung Dritte nicht an der Abfrage der Datenbank zu Informationszwecken hindern dürfe. Wenn für die Darstellung des Inhalts der Datenbank auf dem Bildschirm aber die Übertragung der Gesamtheit oder eines wesentlichen Teils der Informationen auf einen anderen Datenträger erforderlich sei, könne das betreffende Stöbern von der Genehmigung des Herstellers abhängig gemacht werden. Der Begriff der "Entnahme" von Material, die untersagt werden darf, erfasse zudem jede unerlaubte Aneignung der Gesamtheit oder – bei wiederholtem und systematischen Vorgehen – auch Teilen der Inhalte einer Datenbank. Die Aufgabe zu prüfen, ob eine entsprechende Handlung im Rechtsstreit zwischen der Universität und dem Verlagshaus vorlag, gab der EuGH an den BGH zurück. (Stefan Krempl) / (vbr)