Wirtschaftsverbände: Datenschutzreform stellt "Wert der Werbung" in Frage

Der Vorstoß des Bundesinnenministeriums, für die Weitergabe und Nutzung von Personendaten für Werbung von Drittfirmen eine Einwilligung der Betroffenen erforderlich zu machen, hat einen heftigen Streit ausgelöst.

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Der Vorstoß des Bundesinnenministeriums, zur Weitergabe und Nutzung von Personendaten für Werbung von Drittfirmen eine Einwilligung der Betroffenen erforderlich zu machen, hat einen heftigen Streit zwischen Wirtschaftsvereinigungen und Datenschützern ausgelöst. So wirbt der Deutsche Dialogmarketing Verband (DDV) auf einer eigenen Webseite unter dem Motto "Freiheit der Kommunikation" für den Erhalt des sogenannten Listenprivilegs, wonach derzeit Adressdaten nebst Angaben zu Beruf, Geburtsdatum oder Hobbys noch frei gehandelt werden dürfen. In Stellungnahmen warnen der DDV und der IT-Branchenverbands Bitkom unisono vor den Verlusten Hunderttausender Arbeitsplätze und Milliarden Steuereinnahmen. Das Unabhängige Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) hat den Wirtschaftsvertretern dagegen vorgeworfen, "mit Falschinformationen Politik machen" zu wollen.

Laut den Direktvermarktern hat der Gesetzgeber mit dem Verbot des Handels etwa mit Kontodaten oder anderen über das Listenprivileg hinausgehenden persönlichen Angaben bereits "für eine weit reichende und wirkungsvolle Einschränkung gesorgt". Schon heute würden mit dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Verstöße "aufs Schärfste" geahndet. Nicht eine Verschärfung, sondern ein besserer Vollzug des Datenschutzrechts sei daher nötig. Andernfalls würden dem Verbraucher "pauschal Informationen über interessante und maßgeschneiderte Angebote vorenthalten". Die illegale Datennutzung und entsprechende Aktionen würden dagegen "aus dem Ausland weitergehen" und sogar noch zunehmen. Ganz zu schweigen von den Folgen für die Wirtschaft, die derzeit allein 11,5 Milliarden Euro pro Jahr für das Versenden adressierter Werbebriefe ausgebe.

Auch der Bitkom warnt vor umfassenden "Einschränkungen bei der werblichen Ansprache von Kunden". Der "Verunsicherung" der Bürger durch diverse Fälle "eklatanter Datenschutzverstöße in der Wirtschaft" müsse zwar entgegengewirkt werden. Die zu treffenden Maßnahmen dürften aber nicht dem Direktmarketing als Werbeform die Grundlage entziehen, wendet sich der Verband gegen die geplante Opt-in-Regelung. Der "Wert der Werbung" sei von der ganz überwiegenden Mehrheit der Bürger seit Langem akzeptiert. Gerade für den Mittelstand sei Direktmarketing zudem die einzige finanzierbare Werbeform. Dem kriminellen Missbrauch sei mit dem Verbot des Adresshandels dagegen nicht beizukommen. Das vorgeschlagene Mittel sei weder erforderlich, noch angemessen und somit unverhältnismäßig im verfassungsrechtlichen Sinne.

Vorstellen könnte sich der Verband dagegen, die Nutzung des Listenprivilegs nur Firmen zu gestatten, die das mit dem Gesetzesentwurf ebenfalls geplante Datenschutzaudit durchlaufen haben und ein entsprechendes Gütesiegel vorweisen können. Zu weit geht dem Bitkom auch das im Raum stehende Verbot der Koppelung von Dienstleistungen an die Preisgabe persönlicher Daten sowie die Informationspflicht bei Datenpannen durch die betroffenen Unternehmen.

Der ULD-Leiter Thilo Weichert hält den geplanten Wechsel zum "Permission Marketing" auf Basis des Opt-in-Verfahrens dagegen nicht nur für "verfassungsrechtlich möglich und aus Daten- und Verbraucherschutzsicht wünschenswert". Vielmehr profitiere davon auch die Gesamtwirtschaft, stellt er in einem eigenen Positionspapier heraus. Durch die Änderungen werde es zwangsläufig zu einer "Verbesserung der Verbraucherinformation" und einer "gezielteren Werbeansprache" kommen. Wirtschaftliche Schäden durch die Bearbeitung unerwünschter Werbung würden so vermieden. Wolle die Wirtschaft wirklich den Dialog mit den Verbrauchern, müssten diese gehört und das verfassungsmäßig geforderte "informationelle Gleichgewicht" zwischen ihnen und den Unternehmen wiederhergestellt werden. Genau darauf stelle die Gesetzesinitiative ab. Zuvor hatte Weichert bereits die vom Innenministerium angelegten Anforderungen an das Auditverfahren als zu lax kritisiert.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, über dessen Wiederwahl der Bundestag am frühen Mittwochnachmittag abstimmt, rief die Politik auf der Datenschutzfachtagung der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung (GDD) in Köln vergangene Woche auf, den derzeitigen Rückenwind für die Privatsphäre unbedingt zu nutzen und das Gesetzesvorhaben voranzubringen. Dabei sei eventuell in Kauf zu nehmen, dass manche Formulierungen aus Sicht des Datenschutzes noch nicht optimal seien. Das Bundeskabinett will sich Anfang Dezember mit dem Entwurf befassen. Auf dem Datenschutzgipfel von Bund und Ländern Anfang September hatte es noch geheißen, dass ein Kabinettsbeschluss für November angestrebt werde.

Siehe dazu auch:

(Stefan Krempl) / (jk)