Einigung im EU-Rat über Neufassung der Telecom-Regulierung

EU-Regierungsvertreter haben sich auf eine Position zur geplanten Novellierung des Telecom-Pakets verständigt; entfallen ist eine Klausel, wonach Eingriffe in Nutzerrechte einer gerichtlichen Anordnung bedürfen sollten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 20 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die für die Telekommunikation zuständigen EU-Minister haben sich in ihrer Sitzung am heutigen Donnerstag in Brüssel auf eine gemeinsame Position zur geplanten Novellierung des Telecom-Pakets verständigt. Sie folgten dabei zum Großteil dem Kompromissvorschlag der französischen Ratspräsidentschaft. Keinen Eingang in die Linie des EU-Rates hat damit der Änderungsantrag 138 des EU-Parlaments an der Rahmenrichtlinie zur Regulierung des Telekommunikationsmarkts gefunden. Damit wollten die Abgeordneten sicher stellen, dass "Eingriffe in die Rechte und Freiheiten der Endnutzer" nur nach Einschaltung der Justizbehörden erfolgen sollten.

Während der Debatte hatten sich unter anderem Dänemark und Österreich für den Erhalt der Klausel ausgesprochen, die als Signal gegen die umstrittenen Pläne Frankreichs für ein System der "abgestuften Erwiderung" auf Urheberrechtsverletzungen bis hin zu Internetsperren gewertet werden konnte. Auch Bulgarien, Polen und Ungarn wollten Fragen der Copyright-Durchsetzung oder der Förderung kreativer Inhalte komplett aus dem Paket herausgehalten wissen. Letztlich habe es aber nur drei Enthaltungen bei der Streichung des Absatzes gegeben, erklärte der französische Regierungssprecher Luc Chatel. Die Mitgliedsstaaten seien der Meinung gewesen, dass das gesamte Gesetzgebungsverfahren nicht wegen diesem Punkt blockiert werden dürfe.

Im Vorfeld der Ratssitzung hatten die EU-Abgeordneten Guy Bono von den Sozialisten und der Grüne Daniel Cohn-Bendit in einem Brief die Minister noch dazu aufgefordert, gegen das "Diktat" der französischen Ratspräsidentschaft Widerstand zu leisten, das die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission und des Parlaments ignorieren wolle. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy wolle ein "Three strikes and out"-Gesetz einführen. Nach wiederholtem illegalen Downloaden würde dem Internutzer damit der Zugang zum Web blockiert. Diese "abgestufte Antwort" würde es erlauben, den Internetzugang wegen Verletzung geistiger Eigentumsrechte ohne vorige richterliche Kontrolle zu sperren. Die beiden Parlamentarier baten den Rat daher darum, den von ihnen eingebrachten Änderungsantrag 138 zu respektieren. Eine Streichung des Artikels würde neun Monate vor den Europawahlen "ein sehr schlechtes Bild" auf die europäische Demokratie im Allgemeinen und auf den Rat im Speziellen werfen.

Die Position der Regierungsvertreter fordert nun in der Universaldienstrichtlinie eine verstärkte "Kooperation" von Internetprovidern mit der Unterhaltungsindustrie. Gestrichen haben die Minister den Zusatz der Abgeordneten, dass damit "rechtmäßige Inhalte" gefördert werden sollen. Ausradiert hat der Rat den Änderungsantrag 166. Das Parlament wollte damit gewährleisten, dass notwendige "Einschränkungen des Rechts der Nutzer auf Zugang zu Inhalten, Diensten und Anwendungen" nur im Einklang mit den "Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, Wirksamkeit und Abschreckung" erfolgen. Letztlich bliebe es so den Mitgliedsstaaten überlassen, im Alleingang Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen gesetzlich zu verankern.

Weiter zusammengestrichen haben die Minister Ansätze für eine EU-Regulierungsinstanz. Den "Super-Regulierer" aus dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission hatte das Parlament bereits in ein mit weniger Rechten ausgestattetes Gremiums der Europäischen Regulierungsbehörden für Telekommunikation (BERT) umgewandelt. Geht es nach dem Rat, sollen die bestehenden Regulierer nun nur noch in einer gemeinsamen Gruppe mit dem Titel GERT (Group of European Regulators in Telecoms) kooperieren. Ein Veto-Recht für die Kommission soll es nicht geben. EU-Medienkommissarin Viviene Reding bedauerte, dass Europa damit Chancen auf einen starken gemeinsamen TK-Markt verschenke.

Die Bundesregierung fand eine Mehrheit für einen Änderungsantrag an der französischen Vorgabe, wonach künftig Investitionsrisiken bei Regulierungsentscheidungen rund um den Aufbau neuer breitbandiger Netzwerke stärker berücksichtigt werden sollen. In abgeschwächter Form des ursprünglichen Vorschlags Deutschlands sollen Anreize für Investoren etwa beim Ausbau von Glasfasernetzen gegeben werden. Reding betonte mit Blick auf den Streit mit der Bundesregierung um das Telekommunikationsgesetz (TKG), mit dem die Kontrollmaßnahmen für "neue Märkte" gelockert wurden, dass es aber "keine Regulierungsferien geben" werde.

Weiter enthält das Paket Bestimmungen zum Verbraucherschutz sowie eine überarbeitete Richtlinie zum Datenschutz in der elektronischen Kommunikation. Laut der Version des Rates dürfen Provider Verbindungs- und Standortdaten aufbewahren, wenn dies für die Aufrechterhaltung der Funktion und Sicherheit des Netzwerks "unbedingt notwendig" ist. Den endgültigen Regulierungsrahmen wollen Rat, Kommission und Parlament nun in einem sogenannten "Trilog"-Verfahren festzurren. Sollte dies gelingen, wäre eine 2. Lesung im Parlament nicht mehr erforderlich. (Stefan Krempl) / (pmz)