Karlsruher Computerspiele-Event erhitzt die Gemüter

Nachdem die in Stuttgart vorgesehene E-Sport-Veranstaltung Intel Friday Night Game nach Karlsruhe verlegt wurde, treffen nun dort die Meinungen von Gegnern und Befürwortern aufeinander.

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Von
  • dpa

Soll eine Stadt wenige Monate nach dem Amoklauf von Winnenden einem Computer-Event ein Forum bieten, bei dem Ballerspiele wie Counter-Strike gespielt werden? Um diese Frage ist derzeit in Karlsruhe ein heftiger Streit entbrannt. Stein des Anstoßes ist Intel Friday Night Game. Diese Veranstaltung tourt seit Jahren durch die Republik und macht am 5. Juni in der Karlsruher Schwarzwaldhalle Station. Erwartet werden rund 1500 Teilnehmer. Weitere Tausende fiebern im Internet mit, wenn virtuelle Counter-Strike-Polizisten Terroristen jagen und erschießen.

Die Landeshauptstadt Stuttgart, wo das Ereignis wenige Wochen nach dem Blutbad von Winnenden mit 16 Toten ursprünglich hätte stattfinden sollen, hatte es deshalb abgesagt. Daraufhin waren die Veranstalter nach Karlsruhe ausgewichen. Proteste dagegen gibt es nun nicht nur aus der Politik. In der örtlichen Zeitung zeigen entsetzte Leser "die rote Karte" und Eltern wollen mit Unterschriftenlisten in Schulen und Kindergärten die Veranstaltung verhindern. "Aus Solidarität mit den Opfern von Winnenden wollen wir eine solche Veranstaltung in Karlsruhe nicht haben", sagt eine der Initiatoren, Martina Alberti.

Gegner verweisen darauf, dass auch der Amokläufer von Winnenden "Killerspiele" auf dem PC hatte. Sie führen beispielsweise den Ulmer Hirnforscher Manfred Spitzer an, der warnt: Wer sich viel mit Gewalt beschäftigt, wird gewalttätiger. Passionierte Computerspieler – zwei Millionen Mitglieder zählt allein die Electronic Sports League (ESL) – fühlen sich dagegen zu Unrecht in die Ecke gestellt.

"Counter-Strike ist nun mal das beliebteste Spiel der Szene", sagt Matthias Flierl vom Veranstalter Turtle Entertainment. Gewalt sei ein Spielelement, räumt er ein. Wenn der amtierende deutsche Warcraft-3-Meister Daniel "XlorD" Spenst und der Vizemeister der Disziplin Counter-Strike 1.6 n!faculty um wichtige Punkte kämpfen, dann geht es nach Meinung von Flierl aber vielmehr um die sportlichen Aspekte: "Teamgeist, Taktik und Schnelligkeit sind gefragt." E-Sport-Fans pilgern zu den Veranstaltungen wie andere ins Fußballstadion, so Flierl.

Außer Stuttgart hat nach dem Massaker in Winnenden ein solches Event nur noch Nürnberg abgesagt. Der Karlsruher Stadtchef Heinz Fenrich (CDU) sieht hingegen keinen Anlass dazu. Zwar hält auch er Spiele, "in denen es darum geht, andere im virtuellen Raum zu töten", für bedenklich. Counter-Strike sei aber ab 16 Jahren freigegeben – so lange solche Spiele nicht verboten sind, seien den Kommunen die Hände gebunden. Er will die Veranstaltung nutzen, um eine "breite öffentliche Auseinandersetzung mit den Auswirkungen von so genannten Ego-Shooter-Spielen anzustoßen".

Schließlich sei dabei auch die Bundeszentrale für politische Bildung zur Elternberatung mit im Boot. Deren Rolle stößt aber auch auf Kritik: In Offenbach bei Frankfurt, wo eine solche Computernacht trotz Kritik stattfand, war Michael Koch vom Jugendamt fast acht Stunden dabei. Sein Fazit: "Eine Werbeveranstaltung" – völlig friedlich, aber auch völlig verzichtbar. Und was ihm bei der Eltern-Beratung geboten wurde, empfand er als "weichgespülte Halbinformation".

Karlsruhes OB sah sich zumindest von den Gemeinderatsfraktionen vor Kurzem noch "ausnahmslos unterstützt" – und steht jetzt ziemlich einsam da. CDU-Kreischef Ingo Wellenreuther hat klargestellt, dass aus seiner Sicht die Stadt ihre Hallen nicht für "Killerspiel"-Veranstaltungen vermieten soll. Dass dies trotzdem geschieht, findet der Chef von Karlsruhes Junger Union Andreas Reifsteck "pietätlos", für die Freien Wähler/BüKA ist die Computernacht ein "völlig falsches Signal". Grüne und SPD sind etwas zurückhaltender; sie seien vorher nicht eingebunden gewesen, heißt es vorsichtig. Quer durch die Parteien fühlt sich so mancher "überrumpelt".

Auch außerhalb Karlsruhes gibt es wenig prominente Unterstützer: Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) will Gewaltspielen mit Verboten "ganz klare Kante" zeigen. Und der Städtetag Baden-Württemberg hätte "im Falle einer Anfrage von einer Genehmigung der Computer-Nacht abgeraten", so Sprecher Manfred Stehle.

Unterstützt wird Fenrich aber von der "Piratenpartei Baden-Würtemberg". Die Gruppierung, die für mehr Freiheit im Netz eintritt, wirft den Gegnern Populismus vor und "Unverständnis der Jugendkultur". Für Südwest-Piraten-Chef Sebastian Bauer sind derartige Computerspiele ein "fester und völlig legitimer Bestandteil der heutigen Medienlandschaft".

Siehe zu dem Thema auch:

(Susanne Kupke, dpa) / (anw)