Googles Strategiewechsel bei Roboterautos

Tests zeigen, dass Menschen sich zu schnell an autonome Fahrsysteme gewöhnen und in Notsituationen nicht mehr schnell genug das Fahrzeug übernehmen. Google will deshalb den menschlichen Fahrer komplett aus dem Fahrzeugkonzept entfernen.

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Von
  • Tom Simonite

Tests zeigen, dass Menschen sich zu schnell an autonome Fahrsysteme gewöhnen und in Notsituationen nicht mehr schnell genug das Fahrzeug übernehmen. Google will deshalb den menschlichen Fahrer komplett aus dem Fahrzeugkonzept entfernen.

Es war ein kurzes Werbevideo, mit dem Google vergangene Woche wieder einmal ordentlich Schlagzeilen produzierte. Denn das im Video vorgestellte autonome Fahrzeug kommt ganz ohne Lenkrad aus. Während die Passagiere sich in aller Ruhe in der Umgebung umsehen können, beschleunigt, bremst und steuert es selbständig über einen großen Parkplatz. Schon schießen Spekulationen ins Kraut, Googles Steuersoftware für autonome Fahrzeuge sei so gut wie fertig entwickelt.

Das allerdings ist nicht der entscheidende Punkt an dem Demo. Vielmehr verdeutlicht es, welche Lehren Google aus seiner bisherigen Forschung mit einer Flotte von automatisierten Lexus-SUVs gezogen hat. Die Ingenieure des Datenkonzerns hatten eine Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine vorgesehen, in der die Maschine für Autobahnfahrten vorgesehen war. „Die Idee war, dass der Fahrer den Wagen auf die Autobahn steuert und das Selbstfahrsystem aktiviert, das den größten – und langweiligen – Teil der Fahrt übernimmt“, sagt Nathaniel Fairfield, einer der leitenden Ingenieure in dem Forschungsprojekt. Der Fahrer sollte das Fahrzeug dann wieder ab der Autobahn-Abfahrt übernehmen.

Tests haben jedoch gezeigt, dass Menschen als Copiloten für das autonome Fahrsystem nicht vertrauenswürdig genug sind. Am Anfang der Tests verfolgten die Fahrer noch aufmerksam, was das Auto macht und was in der Straßenumgebung vor sich geht. Die Übergabe von Mensch an Maschine funktionierte reibungslos. Doch im Verlauf der folgenden Wochen und Monate wurden die Fahrer immer unaufmerksamer, bis sie schließlich dem autonomen Fahrzeug zu sehr vertrauten. „Menschen sind bequem“, sagt Fairfield. „Erst sind sie zu recht argwöhnisch, doch dann werden sie zu vertrauensselig.“

Da sei den Google-Ingenieuren klar geworden, dass sie Arbeitsteilung zwischen Fahrer und Auto aufgeben müssen, so Fairfield. Die Konsequenz daraus lautete, nicht mehr mit herkömmlichen Autokonstruktionen zu arbeiten, auf die das autonome Fahrsystem aufgepfropft wird. Dieses Konzept hatte vorgesehen, dass das Fahrsystem die Kontrolle an das Auto wieder an den Fahrer übergibt, wenn es feststellt, dass es Probleme mit der Lenkung oder den Bremsen gibt. In den Tests zeigte sich aber, dass die Fahrer nach einiger Zeit diese Aufgabe kaum noch übernehmen konnten.

Deshalb hat Google nun ein ganz neues Fahrzeugdesign gewählt, das eher der Herangehensweise der NASA entspricht. „Es gibt keine Übergabe an den Menschen mehr – alle Systeme sind redundant ausgelegt“, sagt Fairfield. „Das Fahrzeug hat zwei Antriebe, und wir können es auf verschiedene Arten zum Stehen bringen.“

Die Elektromotoren entsprechen ungefähr dem Antrieb des Fiat 500e und haben eine Reichweite von 160 Kilometern. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 40 Kilometern pro Stunde, um das Verletzungsrisiko für Fußgänger im Falle eines Zusammenstoßes zu verringern, erläutert Fairfield. Um den Aufprall eines Menschen abzufedern, ist die Front des eiförmigen Fahrzeugs außerdem aus Kunststoff gefertigt.

Google will nun eine Flotte aus 100 Fahrzeugen bauen, die in den kommenden Monaten Tests unterzogen werden. Auf öffentlichen Straßen dürfen die Elektromobile aber nur fahren, wenn auch herkömmliche Steuerelemente eingebaut sind.

Der Schritt zum vollständig autonomen Fahrzeug passe auch besser zu Googles ursprünglicher Vision von Roboterfahrzeugen, die „jeden überall hinbringen“. Damit verfolgt Google nun eine ganz andere Strategie als die Autohersteller, die dem Menschen am Steuer immer die letzte Kontrolle lassen wollen.

Die neue Fahrzeugtechnologie zur Marktreife zu entwickeln, wird dadurch aber schwieriger. Denn die Steuersoftware muss künftig nicht nur für Autobahnfahrten ausgelegt sein, sondern auch für die Bedingungen im innerstädtischen Straßenverkehr. Bis die Google-Eier durch die Städte rollen, werden noch einige Jahre vergehen.

(nbo)