Grüne wollen Datensouveränität technisch und rechtlich sichern

Die Bundestagsfraktion der Grünen fordert in einem Papier zum Verbraucher- und Datenschutz "klare gesetzliche Regelungen statt uneinlösbaren Selbstschutz". Technik soll trotzdem eine große Rolle spielen.

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"Wie in zahlreichen anderen Bereichen hat es sich auch beim Datenschutz als Irrweg erwiesen, allein auf Selbstverpflichtungen zu setzen", schreibt die Bundestagsfraktion der Grünen in einem neuen Positionspapier. Die kleinere der beiden im Bundestag verbliebenen Oppositionsparteien plädiert in dem heise online vorliegenden Katalog für eine "Rückgewinnung der Datensouveränität" der Verbraucher. Dieses Leitbild müsse sich durch "technische Möglichkeiten wie Dezentralisierung, Anonymisierung, Datenverschlüsselung und Datensparsamkeit umsetzen" lassen.

Konstantin von Notz, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, betont, man müsse
den digitalen Wandel aktiv gesetzgeberisch gestalten: "Die Bundesregierung darf nicht länger den Kopf in den Sand stecken."

Im Nachklang der NSA-Affäre drängen die Grünen auch auf eine Zweckbindung jeglichen Umgangs mit personenbezogenen Informationen. Datenschutz sei schon bei der Entwicklung neuer Technologien und durch entsprechende Voreinstellungen zu berücksichtigen im Einklang mit den Grundsätzen "Privacy by Default" und "by Design". Dieses Prinzip der Prävention müsse auch beim Erstellen von Profilen gelten und bereits beim Erheben von Daten ansetzen.

Selbstschutz der Nutzer verhindert dem Papier nach aber nicht die "stattfindende Aushöhlung des Rechts". Daher sei das allgemeine Verständnis über die Verantwortlichkeit für den Schutz privater Daten "neu zu justieren". Betreiber technischer Infrastrukturen, IT-Hersteller, sowie verantwortliche Datenverarbeiter müssten durch Transparenz und Kontrolle verlässlichen Schutz liefern. Gleichzeitig habe die Kontrolle der Nutzer durch eine Zustimmung zur Datenverarbeitung zu erfolgen, es sei also der Opt-in-Grundsatz zu verankern. Der Einsatz von Scoring zum Prüfen der Kreditwürdigkeit sei in allen Bereichen offenzulegen.

Gesetzliche Regelungen müssen laut den Grünen parallel "umfassend und grundlegend" weiterentwickelt werden. Die Debatte um die EU-Datenschutzreform habe hier "zahlreiche wichtige Reformansätze aufgezeigt. So sollten etwa auch Informationen, die "zu einem späteren Zeitpunkt Auswirkungen auf die Persönlichkeitsrechte haben können", reguliert werden. Dies sei wichtig im Hinblick auf Big Data. Ferner macht sich die Fraktion dafür stark, doch noch bundesgesetzliche Vorgaben für Gütesiegel und Auditierungen zu erlassen, "um einen unabhängigen Wettbewerb um den besten Datenschutz zu ermöglichen".

Die staatliche Aufsicht wollen die Grünen durch "bessere Ausstattung, Unabhängigkeit und effektive Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen" stärken. Ferner sei an ein Ausweiten von Haftungsnormen für Diensteanbieter sowie Produzenten von Hard- und Software zu denken. Das von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) versprochene Verbandsklagerecht sei für die effektive Rechtsdurchsetzung genauso unabdingbar wie die Möglichkeit hoher Bußgelder.

Zu den weiteren Stichpunkten des neunseitigen Papiers, das die Fraktion mit öffentlicher Beteiligung übers Internet erarbeitete, gehört die Erhöhung der IT-Sicherheit etwa durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowie "verlässliche, transparente Produkte", wobei die Grünen vor allem an Open Source denken. Langfristig müsse sich die IT-Landschaft neu ausrichten hin auf "dezentrale Datenvorhaltungen", um abhörsichere Kommunikation und Cloud-Dienste zu fördern. Das bewusste Einbauen oder Offenhalten von Sicherheitslücken müsse privaten und staatlichen Akteuren verboten werden.

Die Fraktion will die Netzneutralität gesetzlich absichern, da der gleiche Zugang und das diskriminierungsfreie Finden von Informationen die Voraussetzung für eine gerechte Teilhabe aller an der digitalen Welt seien. Ein bevorzugter Transport bestimmter Inhalte gegen Aufpreis sei mit diesem Prinzip unvereinbar.

Renate Künast von den Grünen, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Recht und Verbraucherschutz, will verhindern, dass Verbraucher zu "Objekten großer Internetkonzerne und Datenhändler degradiert" werden. "Nur informierte Verbraucher haben die Möglichkeit, selbstbestimmte
Entscheidungen zu treffen und ihre Rechte zu wahren."

Im Bereich Verbraucherschutz rufen die Grünen nicht nur nach Anpassungen für den "mobilen Handel", über die etwa Geschäftsbedingungen leicht verständlich auch auf kleinen Bildschirmen darzustellen seien. Ferner schwören sie auf einen "Zugang zu digitalen Kulturgütern unter fairen Bedingungen". Filesharing- und Streaming-Angebote stünden zum exklusiven Verwertungsrecht "in einem Spannungsfeld", wenn sie unlizenziert Werke anböten. Konkrete Lösungsvorschläge wie die lange hochgehaltene Kulturflatrate macht die Fraktion hier nicht. Sie schreibt allgemein, dass eine Urheberrechtsreform diese neuen Entwicklungen berücksichtigen und bestehende Unsicherheiten für die Nutzer beseitigen müsse.

Die Privatkopie soll dem Beschluss zufolge als "unabdingbares Nutzerrecht" auch für die digitale Welt verankern werden. Dieser Anspruch dürfe nicht länger technisch eingeschränkt werden. Man wolle zudem prüfen, wie der Weiterverkauf oder der Verleih digitaler Güter wie "Second-Hand-E-Books" gefasst und dabei eine angemessene Vergütung der Rechteinhaber gewährleistet werden könne. Ein "Weißbuch Urheberrecht" solle eine breite gesellschaftliche Debatte vorantreiben, die sich etwa auch mit dem Weiterentwickeln und Bearbeiten vorhandener Werke beschäftige.

Die Bundesregierung dürfe insbesondere angesichts des Geheimdienstskandals nicht länger den Kopf in den Sand stecken, erläuterte Fraktionsvize Konstantin von Notz die anvisierte Antriebsfunktion des Papiers. Es müsse darum gehen, den digitalen Wandel aktiv anhand der vielen gemachten Vorschläge zu gestalten. (jk)