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Nach der Taxi-App kommt jetzt die Putzfrauen-App. Was beschert uns die digitale Welt als nächstes?

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Nach der Taxi-App kommt jetzt die Putzfrauen-App. Was beschert uns die digitale Welt als nächstes?

Jetzt auch noch Putzfrauen. Wie die taz berichtet, erleben Online-Portale zur Vermittlung von privaten Putzdiensten - wie das von den Samwer-Brüdern hochgezogene Portal Helpling - zur Zeit einen Boom. Ist ganz einfach, schreibt die taz: "Ganz legal und sogar von der Steuer absetzbar. Der Kunde zahlt den Putzdienst nämlich auf Rechnung und kriegt daher 20 Prozent des Betrags von der Steuer wieder."

Hat nur einen klitzekleinen Nachteil - für die Putzfrau, nicht für den gutsituierten Kunden: “Tatsächlich bleibt einer Reinigungskraft bei einem Stundenlohn von 12 bis 15 Euro nach Abzug der Vermittlungsprovision der Unternehmen, die derzeit zwischen 15 bis 20 Prozent schwankt, und der Sozialabgaben wie etwa Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ein Nettolohn von höchstens 8 Euro."

Erst die Buchbranche, dann die Taxen, jetzt die Putzdienste. Die Innovationskraft der schönen neuen Welt der Online-Dienste scheint durchs nichts aufzuhalten zu sein. Alles zum Wohl des Kunden. Und natürlich der Gründer und Kapitalgeber, die - wie im Fall der Taxi-App Uber - mit einer märchenhaften Wertsteigerung zu rechnen haben.

Heute kann halt jeder überall auf der Welt in drei Monaten einen Online-Shop hochziehen. Die Cloud macht's möglich. Wenn das Ding raketenartig abgeht, muss man nur ein bisschen Bandbreite und Serverkapazität dazu buchen. Das ist nur ein Mausklick. Und die paar Callcenter-Mitarbeiter in Indien kriegt man an einem Nachmittag unter Vertrag. Alles, was Du brauchst, ist eine gute Idee, Mann.

Aber auf wessen Kosten geht diese neue, globale Wirtschaftsfreiheit? Wo immer Online-Dienste in den letzten Jahren wirtschaftlich einschlagen, gibt es hässliche Kollateralschäden. Die alte, "analoge" Konkurrenz wird gnadenlos überrollt. So dass zum Beispiel statt vieler lokaler Buchläden zum Schluss nur noch ein Online-Gigant übrig bleibt. Vor allem aber werden soziale Standards geschliffen. Frei nach dem alten Wallstreet-Motto: Geschäft ist Krieg. Und wenn du einen Freund brauchst, kauf dir einen Hund.

Ist das also der Preis, den wir für den technischen Fortschritt zahlen müssen? Nein, sagt die Ökonomin Shoshana Zuboff In einem Essay für die FAZ. In dem Text geht es eigentlich um die Frage geht, ob Maschinen zwangsläufig in Zukunft unsere Jobs übernehmen. Aber die emeritierte Harvard-Professorin hat darin ein paar sehr richtige Sachen gesagt, die sich auch auf die neue Online-Ökonomie anwenden lassen:

"Dieses Narrativ ist ein Zaubertrick. Die Art und Weise, wie digitale Technologien eingesetzt werden, ist nicht zwingend notwendig", schreibt Zuboff. "Es sind bornierte Geschäftsmodelle und ökonomische Thesen, die Kostensenkungen propagieren, vor allem im unteren Lohnbereich. In vielen Situationen sind diese Rezepte nicht mehr als Aberglaube, der von den Mächtigen verbreitet wird, weil sie ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Status quo haben…Gier spielt eine Rolle"… Und weiter: "Automatisierung muss nicht zwangsläufig heißen, dass die Menschen mit ihren Problemlösungsfähigkeiten nicht mehr gebraucht werden. Automatisierung muss auch nicht zwangsläufig die Gewinner belohnen und die angeblichen Verlierer überflüssig machen… Wir können an ihrer Stelle eine neue Ökonomie der Menschlichkeit entwickeln, auf die verschiedene Kraftfelder einwirken. Sie wird neue Jobs hervorbringen, neue Beziehungen schaffen und für neue Formen von Teilhabe sorgen." Ich hoffe, Sie behält am Ende Recht. (wst)