Die VerSUVung des Motorradmarkts ergreift KTM

Abenteuer, abenschwer

KTM stellt am letzten September zur Intermot eine 1290 "Super Adventure" vor. Sie ist noch größer, noch komplizierter und noch schwerer als die 1190. Ziel ist wahrscheinlich, noch fettere Quallen als BMW zu bauen. Geht es anders?

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Die neue Adventure: Supersize me! 3 Bilder
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

2015 gibt es schon wieder eine neue KTM Adventure, die "1290 Super Adventure", die am 30. September in Köln auf der Intermot vorgestellt wird. Sie vereint zwei Entwicklungen in sich: Erstens die generelle VerSUVung des Motorradmarkts, und zweitens KTMs sehr erfolgreiche Positionierung möglichst weit mittig im Mainstream. Diese komplementären Trends können eigentlich nur ein Ziel haben: KTM will endlich eine Reiseenduro bauen, die noch früher noch tiefer im Sand stecken bleibt als die BMW R 1200 GS Adventure.

Nörgeln wir an den Neuerungen: Die 1290 kriegt den großen Motor aus der 1290 Super Duke, vor dem Manche schon auf fetten, griffigen Straßenreifen Angst hatten. Weil man auf Schotter am liebsten 200 fährt. Den größeren Motor füttert ein größerer Tank. Das ist gut fürs Gewicht. Jeder weiß, dass man ins Gelände so viel Gewicht wie möglich mitnehmen muss. Verzweifelt suchen Motocross-Champions Steine, die sie an ihre schwindsüchtigen Maschinchen binden können, um noch zwei Zehntel herauszuholen. Richtig macht es nur Tourenfahrer Michael Martin, der seine BMW GS Adventure mit zwei weiteren GS Adventures behängt, noch bevor er seine Maschine mit Gepäck und Beischlaferin belädt. Das hat dann richtig Anpressdruck. Das walzt jeden Untergrund zur Straße fest.

Verführungen im Voll-SUV

In dieses Segment drängt die neue "Super Adventure" (KTM), nicht zu verwechseln mit der "Adventure" (KTM) oder der "Adventure" (BMW). Man biete "den absoluten Gipfel und eine neue Dimension des luxuriösen und sportlichen Tourenfahrens", marketingspricht das KTM-Weblog. Die Kundschaft für so einen Voll-SUV wird umschmeichelt mit dem (auf Straße) toll funktionierenden MSC-ABS von Bosch sowie natürlich 17-Zoll-Straßenreifen, wenn ich das Bild richtig deute. Wie bei BMW wird es wohl noch Geländeräder geben, aber hoffentlich nicht mehr lange, denn das verführt die SUVties nur dazu, ihren einspurigen Jupitermond stumpf in weichen Bodengrund zu rammen, wo Familien auf Honda Cubs dann um sie herumfüßeln müssen. Wie ist das nur passiert? Ich habe doch MSC?

Weiters verspricht KTM "einstellbare Settings ermöglichen optimalen Fahrspaß", was wahrscheinlich eine künstlerisch gemeinte Nonsens-Aussage ist, und: "Zusätzlich wird die 1290 Super Adventure mit weiteren einzigartigen, elektronisch geregelten Neuheiten aufwarten!" Denn Marktforschungen haben gezeigt, dass Defekte gut für die Kundenbindung sind, wenn man das im Prototypentest gesparte Geld in Hotelzimmer für gestrandete Kunden investiert. BMW macht dieses Erfolgsrezept seit vielen Jahren vor. KTM erhöht daher die Fahrzeugkomplexität – der einzig sinnvolle Weg zu einer höheren Defektfrequenz bei gleichzeitig garantierter Erlebnisheterogenität.

"Die Kundschaft will es so."

Normalerweise kommt an dieser Stelle der Punkt, an dem der Schreiber den Hersteller in Schutz nimmt. Denn: Befriedigt er nicht lediglich eine Nachfrage des Marktes? Nach einigem Nachschlagen soll das Inschutznehmen an dieser Stelle jedoch entfallen, denn die Hersteller beeinflussen den Markt in einer Stärke, für die sie dann auch die Verantwortung tragen sollen. Werbung und Gesellschaft wirken massiv auf das Kaufverhalten ein, sonst würden die Amis nicht so lange so viele Toyota Prii kaufen.