Nortel: Die zweite Welle des E-Commerce
Nortel plant die Integration von Sprachsteuerung und Voice-over-IP mit Online-Handel und möchte damit dem E-Commerce endgültig zum Durchbruch verhelfen.
Nortel, nach Lucent zweitgrößter Hersteller von Netzwerkequipment, möchte offensichtlich nicht mehr nur als Spezialist für Internet-Geräte und optische Netzwerke auftreten. Geht es nach den heute in London präsentierten Vorstellungen des kanadischen Konzerns, stellt das Unternehmen den E-Commerce vom Kopf auf die Füße: Nortel wolle die zweite Welle des E-Business einleiten, die den endgültigen Durchbruch für den elektronischen Handel bringen soll.
Die Kernfaktoren für Nortel sind dabei die Integration von Voice-over-IP und Spracherkennung mit dem Online-Handel. Die Sprachtechniken sollen als Schnittstelle zwischen Call-Centern und E-Business-Systemen dienen. So stellt sich Nortel etwa Sprachsteuerung für Online-Shops vor und die Möglichkeit, über IP-Telefonie direkt vom Online-Shop aus ein Kontaktzentrum anzurufen. Dies sei momentan vor allem für den Online-Handel zwischen Unternehmen (Business-to-Business, B2B) interessant; langfristig möchte Nortel diese Techniken aber wohl auch für das Online-Shopping von Privatkunden (Business-to-Consumer, B2C) umgesetzt sehen.
Nortel arbeitet nach eigenen Aussagen momentan an der Integration des gesamten Unternehmens-Portfolios zu einer Gesamtlösung für den E-Commerce. Zentrale Bausteine des daraus resultierenden Angebots, das in 180 Tagen fertig sein soll, seien drahtlose Internet-Zugänge, die Infrastruktur für Hochgeschwindigkeits-Internet, Sprachtechniken und Lösungen für das Customer Relationship Management (CRM). Mittels CRM, bei dem Nortel sogar von Return on Relationship spricht, soll den Betreibern der Online-Shops eine vernünftige Auswertung der Kundendaten und des Einkaufsverhaltens möglich sein – letztlich mit dem Ziel, Kunden auch in Zeiten des elektronischen Handels an einen Shop zu binden.
Die Ergebnisse dieser Bemühungen von Nortel um den Einstieg in den E-Commerce firmieren unter der neuen Abteilung Clarify, die durch die kürzliche Übernahme der gleichnamigen Firma, eines Spezialisten für E-Commerce-Software, entstand. Aber nicht nur durch das breite Produktangebot, dass sich zu einer Gesamtlösung zusammenfassen lasse, sieht sich Nortel für den Eintritt in das Geschäft mit Angeboten für E-Commerce-Dienstleister gut gerüstet. Laut Nortel arbeiten inzwischen bereits 2.600 Firmenmitarbeiter im Bereich E-Business. Bei insgesamt 27 Prozent aller Umsätze, die weltweit mit E-Commerce erzielt würden, laufe der entsprechende Datenverkehr über Nortel-Netzwerke. Besonders in Europa sei das Unternehmen bei den Investitionen in die Internet-Infrastruktur stark: 34 von 40 paneuropäischen Netzen arbeiteten mit Nortel-Equipment.
Bei der Steigerung der Bandbreiten für die Internet-Backbones durch optische Netze sieht Nortel zudem noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Vertreter des Unternehmens erklärten am Rande der Londoner Nortel-Präsentation im Gespräch mit c't, bis Anfang 2001 ließen sich 160 Wellenlängen mit jeweils 10 GBit/s auf einer Glasfaser realisieren. Dabei seien Entfernungen zwischen zwei Endpunkten von 2.400 bis 4.000 Kilometern ohne Repeater möglich. Solche Bandbreiten und Entfernungen könnten aber nicht auf allen bereits installierten Glasfaserkabeln umgesetzt werden. Momentan arbeite Nortel außerdem an der Realisierung einer Datenrate von 40 GBit/s pro Wellenlängenkanal – dies werde wohl noch im Jahr 2001 kommerziell einsetzbar sein. (Axel Kossel) (jk)