20 Jahre Comdex: Vor der Neuorientierung

Angesichts des Internet-Booms und neuer PC-Designs steht die Comdex in ihrem zwanzigsten Jahr vor einer Neuorientierung.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf der 20. Computer Dealer's Exhibition (COMDEX), die Bill Gates mit einer Keynote am heutigen Sonntagabend eröffnet, gibt es für den Redner und Veranstalter viel zu feiern -- und zu fürchten. In den zwanzig Jahren ihres Bestehens wuchs die Comdex von einer Hobby-Show zur wichtigsten Computermesse Amerikas. Doch die Computer-Händler sind längst nicht mehr die entscheidenden Besucher, die die Trends bestimmen -- das Internet hat diese Rolle übernommen. Neue Firmen finden sich vorzugsweise auf Messen wie der Internet World in New York ein, die keine Altersbeschränkung kennen.

Die Comdex-Veranstalter von ZD Events haben daher ihre Show umgemodelt und Com.dex genannt, eine Linux Business Expo angehängt und ein eigenes Areal fürs Internet und die Information Appliances angehängt. Freie Journalisten (Freelancer) werden als E-Lancer akkreditiert. Für Jugendliche unter 18 Jahren, die versicherungstechnisch von der Show ausgeschlossen sind, wurde ein Entrepreneur's Forum weitab der Comdex eingerichtet, das unter der Leitung von Al Shugart steht. Der Vater der Disketten ist mittlerweile Risiko-Kapitalist und hat sich für seine Veranstaltung ein Hotel mit dem sinnigen Namen Golden Nugget ausgesucht.

Ob die Veranstaltungskosmetik Sinn macht, wird sich zeigen. Einige Firmen, die das E-Business prägen und auf der Internet World vor einem Monat präsent waren, fehlen in Las Vegas, allen voran Dell und IBM. Auch Intel ist nicht mehr dabei. Sun Microsystems, die immer mal wieder beleidigt den absoluten Rücktritt von der Messe erklärten, sind dagegen dabei. Schließlich hat man mit den SunRay-Info-Appliances ein wichtiges Produkt und will StarOffice an alle Messebesucher verteilen. Ausserdem hat Sun zwei "Keynoter" im prestigeträchtigen Rednerprogramm: Scott McNealy, um Prügel an Microsoft auszuteilen, und Billy Joy, der über Java und Jini zusammen mit Sony-Präsident Idei reden wird.

All dies schlägt natürlich nicht Bill Gates. Der ist gleich zweimal im Ring, als Microsoft-Präsident Eröffnungsredner der Show und als Präsident von Corbis Systems, dem weltgrößten Rechtehändler für Bilder. In der zwanzigjährigen Geschichte der Comdex hält Gates alle Rekorde als Redner und Trendsetter. DOS 3.3, mit dem sich Microsoft richtig von IBM distanzierte, Windows 1.0, Windows 3.0, Windows for Workgroup, WindowsCE und Windows 98 feierten auf einer Comdex ihre Premiere, nur NT und Windows 95 wurden anderswo inszeniert. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Veranstalter erreichte Gates, dass die Frühjahresvariante der Comdex 1989 in Windows World umbenannt wurde: "Microsoft ist die einzige Firma, die zweimal im Jahr Innovationen zeigen kann", hieß es damals.

Innovationen sind auch diesmal das bestimmende Thema für Gates. Denn das Nasenstüberl, das US-Richter Jackson im Microsoft-Prozess verteilt hat, will erst einmal verdaut werden. Gegenüber seinen Findings of Facts über das Microsoft-Monopol beharrt Bill Gates darauf, dass seine Firma die Freiheit haben müsse, Innovationen auf den Markt zu bringen. Freedom to Innovate, wie die gleichnamige Microsoft-Website mit dem Computer in der US-Flagge heißt, ist darum der Titel seiner Eröffnungsrede. Im letzten Jahr präsentierte Gates an Innovationen einen ersten Blick auf Windows 2000 und vor allem auf Microsoft Cleartype, das Handys, Infodisplays und E-Books mit grösserer Leserlichkeit beglücken soll. Unglücklicherweise zeigte damals nach Gates der Xerox-Cheftechniker Seely Brown in einer Keynote, dass die Technik seit mehr als 10 Jahren bekannt ist.

Wahrscheinlich wird Gates in diesem Jahr seine Probleme mit den Innovationen haben. Ein erster Blick durch die Pressemappen zeigt, dass die Info Appliances und das Home Networking Schwerpunkte der Comdex sind, mit Produkten wie Sun Ray, N@appliance, Cendis Home oder dem NeWeb Home von Acer. Auch die parallel laufende Linux Business Expo, die von Linus Torvalds eröffnet wird, dürfte interessant werden. Hier debütiert Corel Linux, das Linux "für den Desktop des einfachen Nichtskönners", wie Corel-Chef Cowpland in einer PR-Meldung behauptet. Gates können diese Trends nicht recht sein. Windows for Workgroups sollte schon vor 8 Jahren die Wohnungen vernetzt haben, Windows CE sollte seit 3 Jahren die Szene der Handhelds beherrschen. (Detlef Borchers)/ (jk)