In totaler Erhabenheit

Wir leben in einer Welt, in der ein ultraflacher BMW-Sportwagen mit einem 1,5-Liter-Dreizylinder fährt und trotzdem gibt es den S 65. Ein Zwölfzylinder ist ein Statement, auch wenn er derzeit in etwa die soziale Akzeptanz eines Mantels aus Baby-Nerz genießt. Was sind da schon 80.000 Euro Aufpreis?

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Der Inbegriff von Luxus: Mercedes S 65 AMG im Test
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Stefan Wagner
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München, 24. Oktober 2014 – Es gibt Autos, die sind zu weit weg. Autos, die man einfach nie fahren wird, wenn man nicht gerade in Abu Dhabi einen Turm besitzt, oder eine Gas-Pipeline in Russland, von mir aus auch 500 Wohnungen in bester Münchner Innenstadtlage. Auf jeden Fall sollte man viel von irgendwas besitzen, sonst wird das nichts. Der Mercedes S 65 AMG ist so ein Auto. Er ist viel zu groß und viel zu mächtig und überhaupt viel zu viel von allem. Bis auf diese völlig absurde G-Klasse mit sechs Rädern, ist er das Teuerste, was der Stern derzeit zu bieten hat. Der S 63 AMG ist entsetzlich schnell, dabei maximal komfortabel und auch aus jedem anderen Blickwinkel ziemlich unglaublich, aber er hat nur acht Zylinder und deswegen wollen ihn manche Leute nicht. Wir leben in einer Welt, in der ein ultraflacher BMW-Sportwagen mit einem 1,5-Liter-Dreizylinder fährt und trotzdem gibt es den S 65. Ein Zwölfzylinder ist ein Statement, auch wenn er derzeit in etwa die soziale Akzeptanz eines Mantels aus Baby-Nerz genießt. Was sind da schon 80.000 Euro Aufpreis? Der faire Tauschwert für Distinktion, auch (und gerade), wenn der Gebrauchswert nur noch wenig steigt.

Etwas zu viel Chrom für einen AMG, Felgen, die mehr nach Casino als nach Rennstrecke aussehen und ein Interieur, dessen Prunk selbst den Sonnenkönig einschüchtern würde. Ich weiß nicht, ob es an der optischen Wucht liegt oder am Testwagenpreis von knapp 264.000 Euro, aber dieses Auto flößt mir eine kräftige Portion Respekt ein. Dabei tut der Chef aller S-Klassen wirklich alles, um seinen Fahrer bestmöglich zu unterstützen. Dass der wirklich allerletzte Schrei an Assistenzsystemen und Fahrhilfen an Bord ist, brauche ich wohl nicht extra zu erläutern. Die größte Hilfe ist – in Anbetracht der Fahrzeugausmaße und der vermuteten Kosten für diverse Karosserieteile samt Lack – jedoch die wunderbare 360-Grad-Kamera. Ohne diesen treuen Gefährten wäre ich in diversen Tiefgaragen schier verzweifelt.

In totaler Erhabenheit (30 Bilder)

Der Mercedes S 65 AMG im Fahrbericht

Abgesehen von der nun mal vorhandenen Statur und der Peinlichkeit, dass er bei 250 km/h förmlich in den Begrenzer kracht, fällt es schwer, dem S 65 AMG irgendwelche Schwächen zu unterstellen. Ganz im Gegenteil ist es eher so, dass dieses Auto einen die meiste Zeit mit ziemlich offenem Mund zurücklässt. Als weltweit erstes Auto verfügt der S 65 über eine Stereokamera, die Fahrbahnunebenheiten frühzeitig erkennt und das Magic-Body-Control-Fahrwerk entsprechend einstellt. So federt der Sport-Koloss unabhängig vom Fahrmodus – erfreulicherweise gibt es nur Comfort oder Sport – wie eine Sänfte auf einer rosa Kuschelwolke. Dabei nimmt er sich aber nie heraus, Präzision gegen Gemütlichkeit zu tauschen. Es ist fast absurd, wie akkurat und dynamisch sich dieser 2,25-Tonner in die Kurve werfen lässt. Vor allem im Sport-Modus, der den Großen spürbar fokussiert, ohne ihn auch nur ansatzweise bockig werden zu lassen.