Kommentar zur Maut: Mehr Überwachung statt Mehreinnahmen? Schluss mit dem Unfug!

Der aktuelle Maut-Vorschlag von Verkehrsminister Dobrindt würde eine flächendeckende Überwachung von Nummernschildern mit sich bringen. Wem nutzt das?

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Ich glaube, ich werde zum Verschwörungstheoretiker. Offenbar fangen wir uns durch diese unsägliche Pkw-Maut eine flächendeckende Kennzeichenüberwachung ein. Nach dem Gesetzentwurf von CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt soll es nun keine Vignette mehr geben. Stattdessen ist „zur Überwachung eine elektronische Erkennung der Nummernschilder geplant“, schreibt Heise Online. „Ist ein Kennzeichen nicht im Bestand der Mautzahler registriert, drohen Geldbußen.“

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 TR-Redakteur. Er glaubt, dass viele komplexe Probleme einfache, leichtverständliche, aber falsche Lösungen haben.

„Surveillance by Design“ nennt man so etwas. Da werden – wie bereits bei der Lkw-Maut – massenhaft Daten erhoben, die dann wunderbar etwa eine Rasterfahndung ermöglichen. Natürlich werden die Verantwortlichen beteuern, die Daten seien gesichert, werden nur für die angegebenen Zwecke benutzt und schleunigst wieder gelöscht. Jaja, ist klar. Hier tut sich für mich ein Zeitparadoxon auf: Ich kann die Beteuerungen schon nicht mehr hören, obwohl sie noch gar nicht ausgesprochen wurden. Glaubt irgendjemand ernsthaft, der BND oder die NSA kommen an diese Daten nicht ran, wenn sie wirklich wollen?

Und wozu das alles? Wozu? Nennenswert Geld wird die Maut nicht einbringen. Im neuen Dobrindt-Vorschlag sind die Bundesstraßen nicht mehr enthalten. Er selbst rechnet nun nur mit 500 Millionen Euro Einnahmen jährlich, nach anderen Quellen nur 300 Millionen. Das ist lächerlich angesichts der Milliardenlücken bei der Verkehrsfinanzierung. Es ist noch nicht einmal klar, ob die Erlöse überhaupt die Verwaltungskosten decken.

Dazu kommt: Schon die bisherigen Maut-Ideen der CSU hatten absolut null Lenkungswirkung auf den Verkehr. Sie motivierten niemanden, zu verkehrsärmeren Zeiten oder generell weniger zu fahren, wie man es von einem modernen Verkehrskonzept Anfang des 21. Jahrhunderts erwarten sollte. Nun hat es Politik sogar noch geschafft, eine negative Lenkungswirkung hineinzukompromissen. Die aktuelle Maut-Variante bietet Ausländern den Anreiz, von den Autobahnen auf die mautfreien Bundesstraßen auszuweichen. Damit ist weder der Umwelt noch sonst jemandem gedient.

Mit irgendeiner verkehrspolitischen Logik ist die Maut also nicht zu erklären. Da muss man sich doch fragen: Wem nutzt denn das? Ist das ganze Hickhack dann vielleicht nur ein Ablenkungsmanöver der Bundesregierung, um die Überwachung durch die Hintertür noch ein Stück weiter auszudehnen? Ich denke, nicht. Das würde weit mehr strategische Weitsicht und planvolles Vorgehen voraussetzen, als ich der Koalition zutraue.

Trotzdem ist es skandalös, wie sich hier die ganze Republik von der CSU an der Nase durch den Ring ziehen lässt. Es kann doch nicht sein, dass wir landesweit mit riesigem Aufwand ein System installieren, das nichts, aber auch gar nichts zur Lösung irgendeines Problems beiträgt außer dem, dass der CSU-Chef vor den heimischen Stammtischen blöd dastehen könnte.

Parlamentarier, Abgeordnete, Volksvertreter: Bereitet diesem Unfug ein Ende! Widerlegt die Verschwörungstheoretiker! Zeigt, dass die Politik kein logikfreier Raum ist! (jlu)