Wo bleibt denn jetzt die Wasserstoffwirtschaft?

Wasserstoff im Blut

Wasserstoff als Energieträger für Autos finden die meisten von uns toll, weil er das Versprechen macht, dass wir so fahren können wie bisher, nur umweltfreundlicher. Aber mit dem Einlösen hapert es

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Wir Autofans lieben Wasserstoff. Der Grund liegt nahe, und der Kollege Honsel hat ihn in der Technology Review konkret formuliert: Wasserstoff enthält die Versprechung, dass wir weitermachen können wie bisher, nur dass es umweltfreundlich ist. Das US-amerikanische "National Renewable Energy Laboratory" brachte schon 2011 das Beispiel, dass ein Brennstoffzellen-Antrieb es erlaube, mit einem Fullsize-SUV ein Boot einen Berg hochzuziehen. Also, nicht dass wir das jetzt müssten, aber es ist doch toll zu wissen, dass wir es jederzeit könnten!

Clarkson & Co. sind sich in jeder Top-Gear-Diskussion zum Thema Mobilität der Zukunft einig: Es wird Wasserstoff sein. Freudig dankbar schließen sich andere Autofans der Idee der Wasserstoff-Infrastruktur an, denn sie ist so attraktiv, dass sie immer wieder aus der Suppe der Realitätsprobleme auftaucht, in der sie auch immer wieder untergeht. Wasserstoff ist die ewige Karotte, die vor mir Esel hängt, der sie nie erreicht.

Mein erster Kontakt mit Wasserstoff-Autos passierte auf der IAA 1990, in den Pausen zwischen meinen kindlichen Messeluft-Kotzanfällen. Auf einem Podest stand ein Mercedes-Kombi, umgerüstet auf die direkte Verbrennung von Wasserstoff-Luft-Gemisch in einem leicht modifizierten Standard-Motor – im Prinzip also das, was Mercedes seit etwa 1975 testete. Schon dieses Auto, genau wie der weitestgehend sinnfreie BMW Hydrogen 7, zeigte die Wasserstoff-Schere: Auf der einen Seite der perfekte Energieträger, der Energiedichte mit einer Verbrennung zu weitestgehend harmlosem Wasserdampf kombiniert. Auf der anderen Seite die Logistik voller Haken. Wo kommt der Wasserstoff her? Wie kommt er an die Tankstellen? Wie bleibt er im Tank? Irgendwie sind wir summa summarum in allen Kernfragen heute kaum weiter als 1990.

Hennen, Eier, Selbstbefriedigung

Gut, die Brennstoffzellen sind besser geworden, effizienter und sie leben eine Zeit, die zur Lebensdauer eines Autos passt. Aber wo sind die versprochenen Tankstellen? Wasserstoff als Gas könnte man doch in normalen Rohrleitungen transportieren. Die Älteren mögen sich erinnern, dass Stadtgas auch zum größten Teil aus H2 bestand. Sind die nötigen Verdichter in den Zapfsäulen bemerkenswert teuer? Schwer vorstellbar.