Die unertrÀgliche Schwere des Scheins

Reiseenduristen fahren mehrheitlich langsam auf einfachen Strecken, aber im Kopf mit dem Gedanken, das jetzt nur erleben zu können, weil sie genau diese Maschine haben. Ein Selbstversuch mit 287 kg auf Single Trails

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Inhaltsverzeichnis

Die Reiseenduro ist ein Kompromiss zwischen Asphalt- und Dreckeignung, den jeder Reisende fĂŒr sich selber finden muss. <- Das schrieb ich auf unserer Alpenschotter-Tour ans Mittelmeer auf Triumph Tiger Explorer, Yamaha TĂ©nĂ©rĂ©, KTM 690 Enduro R und Honda CRF 250 L, um am Ende mit etwas eigener Verwunderung festzustellen, dass gar nicht mein Favorit (die KTM) gewann, sondern die 250er, weil sie alles noch leichter macht. Dieses Ergebnis deckt sich mit allen Feldversuchen, Fahrer auf leichtere Maschinen zu setzen. Es Ă€ndert jedoch keinen Mikrometer daran, dass trotzdem die Fahrzeugklasse „hochhackiger Schweineeimer ohne erkennbare Enduro-Eigenschaften“ die beliebteste Reiseenduro bleibt. Um das zu ergrĂŒnden, mussten weitere Recherchen her, auf einem möglichst schweren Motorrad, auf möglichst kleinen Wanderwegen.

Hondas „Crosstourer“ drĂ€ngte sich auf: 287 kg vollgetankt ohne Koffer, Doppelkupplungsgetriebe mit Automatik, Federwege im nicht nennenswerten Bereich, aber erhĂ€ltlich mit Zusatzlampen, BĂŒgeln und Koffern aus Alu, die alle aussehen wie aus einem Block gefrĂ€st und genausoviel weigen. Den Weltreise-Look kontrastieren die Straßenreifen (Bridgestone Battlewing) auf Speichenfelgen ohne Schlauch. SUVties jeder Couleur nicken bereits anerkennend: Ja, genau so muss das sein.

Die unertrÀgliche Schwere des Scheins (8 Bilder)

WofĂŒr er gebaut wurde: Zum Touristenkitsch anschauen.

(Bild: Ralf Zimmermann)

Ein Aspekt klĂ€rt sich sehr schnell. Denn natĂŒrlich macht es Spaß, selbst ein schweres Motorrad zu fahren. Derselbe Aspekt, der bei jeder Maschine zieht, fasziniert auch hier alle: „Wie gut das Teil das doch alles macht!“, riefen wir aus, als wir mit dem fetten Croissanttourer Single Trails in den Vogesen befuhren. In der Tat walzt Hondas Croissant alles platt, mit einer SouverĂ€nitĂ€t und einer Balance, die beeindruckt. Die Bodenfreiheit ĂŒber dem ungeschĂŒtzten KrĂŒmmergeschlĂ€ngel verlangt ein planerisches Auge, die auf ihre Gummipuffer krachende Federung robuste Ignoranz. Aber es fĂ€hrt super. Dass mein kleines Straßenkrad dasselbe besser kann, fĂ€llt in so einem Moment nicht auf, denn das ist ja nicht hier.

Ein Ende findet der Spaß, als die Straßenreifen von trockenem Waldboden auf einen unterirdischen Wasserlauf treffen, der den Lehm unter dem Gras befeuchtet. Erst schwingt das Vorderrad beĂ€ngstigend herum, dann zieht das Hinterrad auf beinahe 90 Grad mit dem Vorderrad gleichauf, mit der Tendenz zum Überholen. „Ich hab dich schon sicher dort liegen sehen“, kommentiert der Hinterherfahrer auf Honda XL 250 spĂ€ter. Tja. Die Balance rettet den Croissant einmal, doch die EinschĂ€tzung bewahrheitet sich wenige Meter spĂ€ter, als das Hinterrad mit Schwung vorbeisaust und das Vorderrad gleichzeitig haltlos nichts entgegenzusetzen hat. Der Lehm hat auf Straßenreifen so viel Grip wie Eis. Schnee hat mehr.

Mit dem finnischen Schaukeltrick und drei Mann am Croissant versuchen wir es noch ein StĂŒck, aber da ist nichts zu wollen auf diesen Reifen. Wir kehren um. Es sei hier jedoch angemerkt, dass selbst die schwere Honda das untergrasige Wasser wie die leichten Hondas auf Profilreifen wahrscheinlich gar nicht bemerkt hĂ€tte.