Pro & Contra: Ist Apples Engagement ehrlich?

Apple präsentiert sich gern als ökologisches und soziales Vorzeigeunternehmen. Doch kann man dem Konzern das Engagement abnehmen?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Raimund Schesswendter
  • Jeremias Radke

Artikel aus Mac & i Heft 3/2015, Seite 7

Apple engagiert sich so stark wie kein anderes IT-Unternehmen, meint Raimund Schesswendter.

Schon eine Personalie zeigt, dass Apple es ernst meint: Die Umweltbeauftragte Lisa P. Jackson leitete zuvor die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA, trägt den Titel Vice President und untersteht CEO Tim Cook direkt. Ich finde es gut, dass sie die Ökobilanz anhand der GRI-Leitlinien (Global Report Initiative) aufstellt: Das sorgt für Transparenz und Missstände lassen sich schwerer verschleiern. Doch auch wegen des Inhalts, etwa dass die Klima- sowie Kühlanlagen in Apple-Stores oder Rechenzentren Wärme zurückgewinnen und nutzen, bezeichnet Greenpeace den Konzern in seinem Green Report 2015 als weltweit führend im Umweltschutz.

Mir fällt zudem auf, dass Apple sein Engagement intensiv auf die Zulieferbetriebe in Fernost ausdehnt. Zum Beispiel recyceln einige dieser Firmen ihr Brauchwasser über das Clean-Water-Programm und verwenden regenerative Energien. Auch den Einsatz von Giften überwacht ein eigenes Gremium: Daher enthalten iPhone 6, iPad Air 2 und MacBook beispielsweise kein Beryllium, das die Lunge schwer schädigen kann.

Vieles lässt Apple zusätzlich durch unabhängige Initiativen überwachen; etwa die Herkunft seltener Mineralien durch die Conflict Free Smelter Initiative. Zwar könnte der Konzern für meinen Geschmack noch mehr gemeinnützigen Organisationen unter die Arme greifen, aber immerhin verdoppelt Apple zusätzlich zu den eigenen die Spenden der Mitarbeiter. Seit 2006 flossen zum Teil aus selbstinitiierten Kampagnen insgesamt 78 Millionen Dollar für den Kampf gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria auf die Konten der Global-Fund-Stiftung.

Die Arbeitsbedingungen lässt Apple unter anderem durch Fair Labor Watch kontrollieren. Bei Foxconn & Co. fertigen zwar auch Dell, Samsung und andere, aber keiner nimmt faire Verhältnisse so ernst wie der iPhone-Hersteller. Meiner Meinung nach tut Apple weltweit mehr für die Umwelt und seine Arbeiter als jeder andere IT-Konzern. Das erwarte ich allerdings auch, Apple übt eine Vorbildfunktion aus und muss seine Verantwortung wahrnehmen. (rsr)

Jeremias Radke hält Apples grünen und sozialen Eifer für reines Marketing.

Apples Website verkündet großspurig: „Wir wollen den Klimawandel stoppen“ und „Wir möchten sichergehen, dass jeder Einzelne mit Würde und Respekt behandelt wird.“ Das kaufe ich ihnen nicht ab. Unternehmen haben kein Gewissen. Für sie zählt allein der Profit. Apple macht da keine Ausnahme und verbucht sogar mehr Gewinn als jeder andere Konzern. Ich bin überzeugt, Ökostrom, Waldkäufe, Wasseraufbereitung, Rechtsbelehrung und Kontrollen in Zulieferbetrieben sind bloß Teil einer breit angelegten Marketing-Kampagne.

Damit richtet Tim Cook den Konzern an neuen Ansprüchen der Zielgruppe aus. Die verlangt nicht mehr nur nach stilvollen und hochwertigen Produkten. Auch ökologisch und fair produziert sollen sie sein. Das sind sie aber nicht, und daran ändert auch Apples Greenwashing nichts. Beispiel: Obwohl Apple mit dem iPhone 6 erneut Rekordgewinne einstreicht, machen die Personalkosten in der Herstellung gerade einmal
2 Prozent aus. Entsprechend mies sind die Arbeitsbedingungen, wie die Bürgerrechtsbewegung China Labour Watch letztes Jahr belegt hat. Viel zu junge ArbeiterInnen montierten für einen Stundenlohn von gerade mal 1,10 Euro in 16-Stunden-Schichten iPhones. Apples Kontrolleure sind ganz offensichtlich zahnlose Tiger.

Nur in eigenen Fabriken könnte Apple die Einhaltung von Arbeitsrecht und Umweltauflagen sicherstellen. Das würde aber den Profit schmälern. Cook lässt lieber in China produzieren, wo fast Dreiviertel des Stroms aus Kohlekraftwerken stammt. Auch Umweltauflagen fallen dort weit weniger streng aus als in westlichen Industrieländern. Die fertigen Geräte sind längst nicht so grün, wie uns Apple glauben machen will. Verklebte Komponenten erschweren das Recycling und Aluminium ist in der Gewinnung extrem energieaufwendig, das unverzichtbare Silizium ebenso. Ein ökologisch korrektes iPhone bleibt vorerst eine Utopie. Das sollte Apple aber auch so kommunizieren, statt Weltrettung und Philanthropie zu heucheln. (jra)

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