Fusionsenergie: Näher an der Sekunde dran

Ein privates US-Unternehmen liefert auf dem Gebiet der Fusionsforschung einen wichtigen Fortschritt. Doch die Anlage ist bisher nur im kleinen Maßstab erprobt.

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Ein privates US-Unternehmen liefert auf dem Gebiet der Fusionsforschung einen wichtigen Fortschritt. Doch die Anlage ist bisher nur im kleinen Maßstab erprobt.

Bekannt war vom US-Unternehmen Tri Alpha Energy bisher vor allem, dass von ihm fast nichts bekannt war. Das kalifornische Startup ist weder mit einer Website im Netz vertreten, noch beantwortet es Telefonanrufe. Nun jedoch scheint der geheimnisumwobenen Firma, wie aus einer Veröffentlichung in Nature Communications hervorgeht, ein bedeutender Fortschritt in der Fusionsenergieforschung gelungen zu sein. Nach eigenen Angaben konnte die Firma einen Plasmaring zehn Mal länger aufrecht erhalten als es bisher in Experimenten von Universitäten und Laboren möglich war. In einem solchen Plasmaring findet die Kernfusion statt, die quasi unerschöpflich Energie freisetzt. Die Kernfusion gilt damit als Schlüssel zur sauberen Energiegewinnung.

Die Fusionsenergie ist die Kraft, die auch der Sonne Energie liefert. Im Sonneninnern heizen sich Wasserstoff-Atome so stark auf, dass ihre Kerne mit hoher Geschwindigkeit aufeinanderprallen und ihre elektrische Abstoßung überwinden. Sie verschmelzen, es entsteht Helium, Energie wird freigesetzt. So zuverlässig das bei der Sonne und bei Sternen funktioniert, so schwierig ist es unter irdischen Bedingungen: Zum einen gilt es, die hohen Temperaturen (mehr als 150 Millionen Grad Celsius) zu erreichen. Zum anderen muss das heiße Plasma unter hohem Druck lange genug stabil bleiben, dass es zu einer Fusionsreaktion kommen kann. In der Vergangenheit haben sich die Fusionsforscher hauptsächlich mit den sogenannten Tokamaks und der Trägheitsfusion beschäftigt. Tokamaks sind torusförmige Reaktoren, die das Plasma mit starken Magnetfeldern stabilisieren. Bei der Trägheitsfusion gibt es eine Keimzelle aus Brennstoff, die durch starke Laserpulse sehr schnell verdichtet und aufgeheizt wird.

Tri Alpha ging einen anderen Weg. Es machte sich eine Eigenschaft des Plasmas zu Nutze, die sich „Field-Reversed Configuration“ (FRC) nennt. Dabei bilden die Partikel ein magnetisches Feld, das den Plasmaring zusammenhält. Und genau diesen Zustand konnte Tri Alpha fünf Millisekunden lang aufrecht erhalten. Das ist zwar immer noch weit vom eigentlichen Ziel entfernt. Um mittels Kernfusion mehr Energie zu gewinnen als zu investieren, muss die FRC mindestens eine Sekunde lang bestehen bleiben. Diesem Ziel scheint Tri Alpha nun jedoch ein Stück näher gekommen zu sein.

Stabilität in der Röhre

Die Mitarbeiter entwickelten zunächst eine prototypische Röhre von 23 Metern Länge in ihrem Beam Fusion Reactor. An beiden Enden der Röhre bildete das Team je einen Plasmaring. Diese zwei Exemplare wurden dann mit Hilfe von ringförmigen Magneten mit 250 Kilometern pro Sekunde aufeinander zugestoßen. In der Mitte der Röhre prallten sie aufeinander, wo sich die kinetische Energie in Hitze umwandelte und so das erforderliche heiße Umfeld für die Kernfusion lieferte. Bisherige Hochtemperatur-FRC konnten den Plasmaring nicht länger als 0,3 Millisekunden aufrecht erhalten. Er kippte stets zur Seite, veränderte seine Form, kollidierte mit der Röhrenwand und löste sich so auf. Tri Alpha beschoss nun das Plasma mit schnellen Ionen, die es stabiler halten und Turbulenzen verhindern sollten. Um des Weiteren die Bedingungen im FRC anzupassen, entwickelte Tri Alpha die sogenannte „Edge Biasing“-Technologie, die dafür Elektroden nutzt, die jeweils an den Enden des Reaktors angebracht werden.

„Die Arbeit der Firma Tri Alpha Energy ist viel seriösere Wissenschaft als die vieler anderer Firmen, die in letzter Zeit verstärkt Vorschläge für neue Fusionsanlagen gemacht haben“, sagt Prof. Dr. Sibylle Günter, die Wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching. Das Institut beschäftigt sich unter anderem mit der Entwicklung von Fusionsanlagen wie den Tokamaks. Günter betont, dass der Vorschlag von Tri Alpha aber auf einem längst bekannten Konzept basiere. Sie verweist als Vergleich auf den alten Tokamak ASDEX, der in dem Garchinger Institut bereits 1982 eine um einen Faktor 4 höhere Temperatur erreicht hatte. Auch eine um mehr als einen Faktor 60 bessere Energie-Einschluss-Zeit konnte damit bereits erzielt werden. Und heute sei man bereits bedeutend weiter bei der Leistung der Tokamaks. "Da die Konfiguration von Tri Alpha bisher nur relativ klein im Vergleich zu einer echten Fusionsanlage untersucht wurde, lässt sich allerdings nicht sagen, ob das auch in einer großskalierten Maschine funktionieren würde", so Günter.

Kleines Polster in der Fusionsforschung

Gegründet haben Tri Alpha die Plasmaphysiker Norman Rostoker und Hendrik J. Monkhorst 1998. Seitdem soll es sich einen Stamm über 150 Mitarbeiter aufgebaut haben. Als Geldgeber beteiligen sich etwa die Investment-Bank Goldman Sachs und das Unternehmen von Microsoft-Mitgründer Paul Allen, Vulcan. Dadurch sollen Tri Alpha rund 140 Millionen US-Dollar zur Verfügung stehen – ein vergleichsweise kleines Polster in der Fusionsforschung. Auf dem Gebiet sind auch Großkonzerne, wie die US-Rüstungsfirma Lockheed Martin unterwegs. Erst vor kurzem hatte man dort mit einem revolutionären Fusionsreaktor auf sich aufmerksam gemacht. Doch Experten zweifeln den Durchbruch an.

Im südfranzösischen Cadarache entsteht zudem gerade das Fusionskraftwerk ITER. Es ist ein Großprojekt, dessen Baukosten, sich inzwischen auf mehr als 14,6 Milliarden Euro belaufen – nach jüngsten Schätzungen der Bundesregierung. Dafür aber soll ITER weit mehr liefern als Tri Alpha: Die Anlage soll etwa 500 Megawatt produzieren. Dafür muss das Plasma 400 Sekunden lang stabil gehalten werden. Für ITER ist der Betriebsstart voraussichtlich 2023.

(jle)