Eine weitere Marke ersteht wieder auf, um zu vergehen

Bultaco am Pokertisch

Immer dieselbe Tragik: Mit großen Gefühlen erwecken ein paar Menschen eine alte Marke zu neuem Leben. Es fehlt ihnen an einem ausreichend guten Produkt oder einem Markt für ein gutes Produkt oder beidem

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Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Bultaco ist zurück. Eine weitere dieser kleinen, aber herrlich geschichtenintensiven Marken, die in regelmäßigen Abständen von Männern in Anzügen aus ihrem Dornröschenschlaf geholt werden. Die Tragik an daran bleibt immer, dass die ganze Geschichte eigentlich immer vorher für jeden sichtbar wird, der es schafft, ehrlich zu sich selber zu sein. Es gibt also nur zwei Erklärungen für diese Erweckungsvorgänge: Es können Träumer sein, die sich selbst gegenüber aus Weltbildsicht nicht mehr ehrlich sein können. Oder die Männer in Anzügen vergehen sich unbemerkt an Dornröschen und lassen sie danach liegen, damit sie wieder einschläft. Sie haben dabei Geld verdient oder eine sonstige Ressource erworben. Wahrscheinlich treten meistens beide Personengruppen gleichzeitig an, oft in Personalunion.

Kurzabriss, was bisher geschah: Bultaco wurde 1958 gegründet, als Montesa-Mitgründer Paco Bultó Montesa verließ, weil die Firma ihre Rennsportaktivitäten stark einschränken wollte. Bultó hielt diese jedoch für zentral. Zusammen mit einigen Montesa-Mitarbeitern, die ihrem Cheff ("El Jefe") folgten, bauten sie die Marke Bultaco auf. Sie gingen an die Rennstrecke, noch bevor sie an den Markt gingen, und es begann ein interspanischer Konkurrenzkampf zwischen Montesa und Bultaco, denn natürlich hatte sich das mit "weniger Renneinsätze" sofort erledigt, als Paco Bultós Mannschaft antrat. DENEN konnten man die Rennstrecke ja nun auch wieder nicht überlassen. Zumindest diesen ganz groben Abriss muss man wissen, wenn man Daniel Oliver Bultó zuhört, den Enkel Paco Bultós, der von seinem Großvater den Rennsportnagel im Kopf geerbt hat. Nationale Siege bei den Superbikes, auf europäischer Ebene immerhin Podiumsplätze. "Am liebsten würde ich Rennen für Bultaco fahren", sagt Daniel mit einem Leuchten in den Augen, dass einem das Herz schwer wird, wenn man sich die Realität anschaut.

Warum?

Das erste Motorrad stellte die neu gegründete Firma Bultaco Motors am 17. Mai 2014 in London vor, am Firmengeburtstag also. Man hätte erwarten können, dass Bultaco sowas wie Ducatis Scrambler baut: Ein solides, kleines Liebhabermotorrad in einem derzeit sehr starken Marktsegment. Stattdessen stellten sie ein batterieelektrisches Motorrad mit Hossack-Gabel, Zahnriemenantrieb und Supercaps-Puffern vor, die in der kurzen Zeit der Bremsung mehr Bremsenergie aufnehmen und wieder abgeben können als ein Li-Ion-Akkupack. Das Motorrad sieht gut aus und ist technisch interessant, entwickelt mit den TT-Zero-Gewinnern von Motoczysz. Aber der Markt für Elektromotorräder ist eben so klein, dass er praktisch nicht existiert. Da gehen Großhersteller mit einem kleiner-Zeh-Modell hinein, um schonmal die Temperatur zu erfühlen für die Zeit, wenn es lohnt, dort einen Sprung hinein zu machen. Bei Bultaco dagegen gibt es nichts außer diesem kleinen Zeh, der sich komplett hineinwirft ins Nichts.