Außenleiter

"Ausgerechnet!", schrie(b)en wir alle, als Harley letztes Jahr ihren elektrischen Roadster erstmals zeigte. Die erste Fahrt auf dem Prototypen zeigt, dass Harley ganz viel verstanden hat ...

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Harley-Davidson, Elektroantrieb, alternative Antriebe
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Inhaltsverzeichnis

"Ausgerechnet Harley baut ein Elektromotorrad!", schrieben wir alle, als die Company ihr "Project Livewire" vor rund einem Jahr vorstellte. Wenige hĂ€tten das von diesem Ă€ußerst konservativen Unternehmen erwartet, doch zumindest die Umsetzung passiert typisch Harley in eben jener bedachten, konservativen Art, in der sie alle Neuheiten einfĂŒhren, sogar ABS damals, als es jeder schon hatte: Zuerst fahren Prototypen viele Kilometer unter vielen Testern. Diese Prototypen sehen aus wie Serienfahrzeuge. Es werden die Stimmen der Szene gehört. Wenn Erfolg wahrscheinlich scheint, werden maximal Kleinigkeiten geĂ€ndert und die Produktion beginnt. Die technische Lösung in der Serie bleibt meistens sehr nahe derjenigen in den ersten Prototypen, weil Harley schon dort stets ausschließlich bewĂ€hrte Technik verwendet. Deshalb kann man davon ausgehen, dass die Prototypen der Livewire gute RĂŒckschlĂŒsse auf das Fahrverhalten der Serienmaschine zulassen. Ein kleiner Test rund um den Hockenheimring (auf die Strecke durften wir leider nicht).

Die Eckdaten, die Harley herausgibt: 54 kW (74 PS), 70 Nm, 210 kg Gesamtgewicht, 85 km Reichweite. Die Eckdaten, die man ĂŒber den Daumen peilen muss: Die Kombination von Gewicht und angegebener Reichweite lĂ€sst auf eine derzeitige AkkukapazitĂ€t von ungefĂ€hr 7 kWh schließen. Warum H-D dort nicht mehr verbaut hat, wundert, denn Harleys am ehesten vergleichbarer Roadster XR 1200 wog immerhin 263 kg vollgetankt. Dem Prototypen steht das aktuelle Gewicht jedoch hervorragend.

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Sitzposition: Baumstamm. Wie bei der Moto Guzzi Griso ĂŒber den Tank gespannt, hier eben ĂŒber den Akku. (Bild: Harley)

Harleys Kundenkreis verlangt mehr noch als der Gesamtmotorradmarkt laute FunktionsgerĂ€usche. Ob das an der Generationengrenze so bleibt, wissen wir natĂŒrlich nicht, fest steht, dass sich der Hersteller selbstverstĂ€ndlich auch bei seiner bestehenden Kundschaft beliebt machen will. Deshalb tönt die Livewire in Fahrt extrem laut. Das mechanische Heulen des Umlenk-Getriebes war sogar einem altgedienten Harley-Veteranen tatsĂ€chlich "zu laut". Doch das sind Details. Dieses GerĂ€usch in Art oder Schalldruck zu Ă€ndern, ist an den Prototypen eine Sache von Shims. Der Grund fĂŒr die Existenz dieser Umlenkung spricht BĂ€nde darĂŒber, wie gut Harley seine Kunden kennt. Es geht allein um PrĂ€sentation.

Betrachtet man dieses Motorrad von der Seite, fĂ€llt beim Schwarz-in-Schwarz vor allem die silberne Basis unten auf. An der zylindrischen Stelle mit den drei Streben liegt lĂ€ngs zur Fahrtrichtung der fremderregte Synchronmotor im schick verstrebten Alu-GehĂ€use. "Motor zeigen", steht immer weit oben in Harleys Pflichtenheften. Hinter dem Motor, unter dem Harley-Wappen, befindet sich eine gerade verzahnte Umlenkung um 90°. Hier entsteht das laute FunktionsgerĂ€usch. Dahinter verwendet Harley einen kleinen Zahnriemen zur Untersetzung auf das Ritzel des lĂ€ngeren Zahnriemens des Endantriebs. Diese Konfiguration ist sehr leise, interferiert also kaum mit dem PrimĂ€rgerĂ€usch. Das GehĂ€use von Motor und Umlenkung benutzt Harley als Resonanzkörper. Die Ingenieure taten also im Prinzip das Gegenteil dessen, was sie ĂŒblicherweise tun. BMW zum Beispiel verzahnt die KegelrĂ€der der Kardan-Antriebe schrĂ€g geschwungen, um eben diese GerĂ€usche zu reduzieren, die bei einem Verbrenner als störende Kulisse gelten.