Staumeldung gegen Bewegungsprofil

Ein neues US-Projekt sammelt Verkehrsdaten mit Hilfe von Mobiltelefonen mit GPS-Empfänger.

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Von
  • Kate Greene

Forscher an der University of California, Berkeley, wollen die in immer mehr Mobiltelefonen enthaltenen GPS-Empfänger dazu nutzen, genauere und aktuellere Straßenverkehrsdaten zu erfassen. Ab Mitte November können Freiwillige aus Sacramento und der San Francisco Bay Area an einem Pilotprogramm teilnehmen, indem sie eine Software auf ihr Smartphone herunterladen, die ihre Bewegungsmuster speichert und diese über das Telefonnetz an Server der Universität überträgt. Im Gegenzug erhalten sie personalisierte Verkehrsinformationen auf ihr Handy.

Die Idee dabei sei einfach, meint Alex Bayen, Professor für Bau- und Umweltingenieurwesen in Berkeley: "Mobiltelefone mit GPS sammeln Daten über den Weg zur Arbeit und zurück und senden sie an ein zentrales System. Das integriert sie dann in ein mathematisches Modell, das die Verkehrsbewegungen in Echtzeit abschätzt." Die gewonnenen Erkenntnisse werden dann direkt ins Internet gestellt und an Handys im erfassten Bereich geschickt.

Das Modell der Forscher kombiniert Verkehrsdaten von statischen Sensoren in der Straße mit den Bewegungsinformationen aus den Handys. Teilnehmer erhalten dann auf sie abgestimmte Hinweise wie etwa die voraussichtliche Reisezeit zum Zielort und die aktuell erreichbare Geschwindigkeit entlang ihrer Route.

Die Nutzung aktueller Verkehrsdaten ist eigentlich nichts Neues: Firmen wie Inrix oder Navteq sammeln Informationen aus Sensoren, die in Straßen und Mautstationen stecken. Außerdem bedienen sie sich zum Teil bereits der Daten aus GPS-Sensoren in kommerziellen Fahrzeugen wie Lieferwagen oder Taxen. Daraus ergibt sich dann ein Gesamteindruck. Die Echtzeitinformationen werden an Navigationssysteme im Auto übertragen und an Websites wie Google Maps.

Das Problem der existierenden Systeme sei aber, meint Bayen, dass sie nur bestimmte Routen abdeckten. Im Asphalt steckende Sensoren überwachten vor allem Hauptstraßen und Autobahnen, auf Nebenstrecken seien sie jedoch blind. Das Berkeley-Projekt, das sich "Mobile Millennium" nennt, soll die statischen Sensordaten von Navteq nun mit Handydaten von hoffentlich mehreren Tausend Fahrern in der ganzen Bay Area zusammenführen. Ein Teilziel dabei ist, besser zu verstehen, wie man die Daten der GPS-Mobiltelefone als gigantisches Sensornetzwerk verwenden kann, um die Verkehrslage vorherzusagen.

Die Software, die vor kurzem erstmals öffentlich gezeigt wurde, läuft unter Java und damit auf diversen Handys mit GPS-Chip, darunter Nokias N95 und RIMs BlackBerry Pearl 8110. Apples iPhone wird allerdings nicht unterstützt. Die Forscher empfehlen, einen Pauschaldatentarif zu nutzen, damit es nicht zu teuren Überraschungen kommt, wenn größere Informationsmengen übertragen werden. Zur Vorstellung von Mobile Millennium waren neben den Universitätsvertretern auch der Handy-Hersteller Nokia, dem inzwischen Navteq gehört, das kalifornische Zentrum für innovative Transporttechnologien sowie Beamte des kalifornischen und amerikanischen Verkehrsministeriums anwesend.

Für einige der potenziellen Nutzer dürfte das Projekt allerdings schon allein aus Gründen des Datenschutzes nicht in Frage kommen. Den Forschern ist klar, dass der Erfolg weitgehend davon abhängt, wie sicher sich die Teilnehmer fühlen. Bayen betont, dass die Software automatisch alle einzelne Personen identifizierende Informationen herausfiltern kann. Statt Daten ständig zu übertragen, senden die Geräte außerdem nur dann, wenn bestimmte vorprogrammierte GPS-Orte durchfahren wurden – die Forscher nennen dies auch "virtuelle Reiserouten". Das sorge dafür, dass Verkehrsdaten von der Identität des Fahrers oder seinem Fahrzeug getrennt würden, ohne die Datenqualität zu reduzieren, meint Bayen.

Scott Sedlik, Produktmarketing-Vizepräsident bei Inrix, meint, dass die virtuellen Reiserouten eine clevere Lösung für das Datenschutzproblem seien. "Aus technologischer Perspektive halten wir das für eine kreative Implementierung", sagt er.

Sedlik glaubt auch, dass GPS-Handys auf längere Sicht eine wichtige Rolle dabei spielen werden, bessere Verkehrsdaten zu sammeln. Es gebe aber auch noch einige Herausforderungen. So dürfte nicht jeder Teilnehmer davon zu überzeugen sein, seine Daten auf einen entfernten Server hochzuladen. Außerdem sei eine solche Anwendung "ein großer Stromfresser". Das heißt: Das Handy hat dann nicht mehr genügend Saft zum Telefonieren.

Bayen räumt ein, dass GPS-Abfragen die Batterie schnell leeren können, empfiehlt den Testteilnehmern deshalb, ihre Handys während der Fahrt stets laden zu lassen. Trotz all dieser Bedenken hofft er aber, dass die Möglichkeit, wesentlich bessere personalisierte Verkehrsdaten zu erhalten, genügend Interessenten anzieht, die Software einmal zu testen. (bsc)