"Emissionshandel reicht nicht"

Der US-Ökonom Gilbert Metcalf glaubt, dass nur eine direkte Besteuerung fossiler Brennstoffe helfen kann, den Klimawandel abzubremsen.

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Von
  • David Rotman

Viele Wirtschaftswissenschaftler argumentieren, dass der beste Weg zur Bekämpfung des Klimawandels darin liegt, Kohlendioxid und andere den Globus erwärmende Emissionen zu verteuern, ihnen endlich einen "Preis" zu geben. So schmerzhaft das für Kunden und Industrie auch sein werde, es sei eine der wenigen Erfolg versprechenden Strategien, fossile Energieträger so zu verteuern, dass alternative Energiequellen wettbewerbsfähig werden.

Die Europäische Union hat dazu 2005 den Handel mit Emissionsrechten eingeführt – wer mehr verschmutzt, soll auch mehr zahlen. In den USA steht ein ähnliches System im Zentrum der Energiepolitik der neuen Regierung unter Barack Obama. Dabei setzt eine Regulierungsbehörde Grenzwerte für den Gesamtausstoß an Klimagas. Wer mehr benötigt, muss Handel treiben.

Für Gilbert Metcalf, Wirtschaftswissenschaftler an der Tufts University, ist ein solches System allerdings viel zu kompliziert. Er empfiehlt stattdessen schlicht eine Besteuerung fossiler Energieträger – und zwar ganz direkt. In den vergangenen Jahren hat er die Kosten und Konsequenzen einer solchen Politik errechnet. Im Gespräch mit Technology Review erläutert er, warum eine solche Klimasteuer eine gute Idee sein könnte.

Technology Review: Herr Metcalf, wie viel Geld würde eine Klimasteuer in den USA in das Staatssäckel befördern? Und wem würde es dann zugute kommen?

Gilbert Metcalf: Bei einer Eingangssteuer von 15 Dollar pro Tonne CO2 rechne ich mit rund 85 Milliarden Dollar im Jahr. Die US-Staatskasse in Form des Finanzministeriums würde das Geld bekommen. Doch die wirkliche Frage ist natürlich, was sie damit dann anstellt. Ich habe eine Steuergutschrift auf die persönliche Einkommenssteuer vorgeschlagen. Das stellt sicher, dass wir in dieser aktuellen Rezession nicht die Gesamtsteuerlast erhöhen und Haushalte mit niedrigem Einkommen nicht überproportional belasten.

TR: Warum aber eine Klimasteuer, nicht ein Emissionshandel?

Metcalf: Die Firmen planen stets längerfristige Investitionen – Kraftwerke, die 50, 60 oder noch längere Jahre laufen. Sie müssen deshalb wissen, mit welchen Preisen sie es zu tun haben werden, um ihre Anlagen wirtschaftlich zu betreiben. Mit einer Steuer wissen sie, wie teuer das insgesamt wird. Beim Emissionshandel haben sie hingegen weniger Planungssicherheit. Beispielsweise geht der Preis für CO2-Emissionen in der EU gerade herunter, weil aufgrund der Wirtschaftsabschwächung die Energienachfrage abnimmt.

TR: Welche anderen Vorteile sehen sie noch in einer Klimasteuer?

Metcalf: Sie ist viel einfacher als der Emissionshandel. Sowohl in Sachen Durchsetzung als auch in Sachen Verwaltung halte ich sie für einen besseren Ansatz. Ich denke auch, dass es hierzu inzwischen einen klaren Konsens unter Wirtschaftswissenschaftlern gibt.

TR: Würde der Bürger denn dann eine CO2-Steuer auf seiner Stromrechnung oder an der Tankstelle vorfinden?

Metcalf: Nein. Der beste Weg für eine Klimasteuer wäre es, Kohle, die aus der Erde kommt, zu besteuern. Immer dort, wo es am bequemsten ist: Direkt beim Bergwerk. Bei Öl wären es dann zum Beispiel die Raffinerien. Es ist sehr einfach, alle fossilen Brennstoffe auf diese Weise zu erfassen, es würde sich nur um eine geringe Anzahl von Steuerzahlern handeln. Auch verwaltungstechnisch wäre das enorm einfach.

TR: Nichtsdestotrotz würde eine solche Steuer natürlich auch den Endkunden erreichen.

Metcalf: Ja.

TR: Angesichts des schlechten Zustands der US-Wirtschaft – für wie politisch durchsetzbar halten Sie das?

Metcalf: Momentan favorisiert die Politik noch deutlich den Emissionshandel. In Washington ging es in den letzten Jahren darum, ein solches System zu entwickeln, das so stark wie möglich einer CO2-Steuer ähnelt, aber eben trotzdem keine ist.

TR: Aber funktioniert ein solcher Handel in der EU denn?

Metcalf: Dazu haben wir inzwischen einige Erfahrungswerte vorliegen. Ich glaube, dass er sein Ziel wohl nicht wie vorgesehen erreichen wird. Es ist nur ein Teilsystem, das da aufgebaut wurde. Es deckt nur den Stromsektor und einige energieintensive Industriezweige ab. Der Transportbereich wurde ganz herausgenommen. Es gibt sicher viele Lehren, die wir aus den Erfahrungen in der EU ziehen können, doch die wichtigste ist wohl, wie man ein solches System eben nicht aufbauen sollte.

TR: Der Ölpreis ist rapide gesunken. Wie kann da eine Klimasteuer innovationsfördernd wirken?

Metcalf: Sie wird es. Die meisten Vorschläge, die CO2-Emissionen einer Steuer zu unterziehen, würden den Benzinpreis um 25 bis 50 US-Cent pro Gallone erhöhen. Wirklich etwas passieren würde aber im Kohlebereich. Da kann das enorme Wirkungen haben. Der Verkehrsbereich ist zwar sehr wichtig, schließlich kommen hier 40 Prozent der Klimagasemissionen zusammen. Der einfachste und billigste Bereich, die Erderwärmung zu stoppen, ist er aber nicht. Da sind die Stromindustrie und der energieintensive Wirtschaftssektor viel günstiger.

TR: Wie stark würde eine CO2-Steuer die Kosten für Strom in den USA verteuern?

Metcalf: Bei 20 Dollar pro Tonne CO2 wäre dies eine Steigerung um 15 Prozent, bei Kohlekraftwerken noch deutlich mehr. Es würde den Preis von Kohle mehr als verdoppeln und so die Kosten für Strom aus Kohle um rund 40 Prozent steigern.

TR: Wie stark beeinflusst die aktuelle Rezession die Debatte?

Metcalf: Die interessantesten Auswirkungen liegen vor allem darin, dass es ja diese Liebesaffäre mit dem Emissionshandel gab – wir schaffen diese Märkte, wir schaffen diese Assets und lassen die Leute die dann traden. Nun, die Blume dieser Finanzmarktinstrumente blüht nicht mehr. Ich weiß nicht, wie stark das auf die Attraktivität einer CO2-Steuer im Vergleich zum Emissionshandel durchschlägt, glaube aber, dass erstere an politischer Attraktivität gewinnt. (bsc)