Land- und Renntechnik im Citroën 2CV (dritter Teil)

Eigene Wege III

Kompakt, leicht, robust und einfach sollte der Motor des 2CV werden. Steuererleichternd klein im Hubraum zeigte er gewissermaßen als Nebeneffekt, dass ein unter vorwiegender Vollast betriebener Motor auch einen geringeren spezifischen Verbrauch erreicht - ohne notwendigerweise schneller zu verschleißen

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(Bild: Citroen)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

München, 14. August 2015 – Die Folgen eins und zwei waren dem Fahrwerk des 2CV gewidmet, doch ohne Antrieb – und sei er noch so klein – gibt es natürlich gar keine Fahrdynamik. Und auch hier hörten die Ingenieure nicht beim Stand „funktioniert doch“ auf, sondern dachten noch ein paar Ecken weiter. Im Lastenheft stand „Robustheit“. Wie kann man einen Motor konstruieren, der möglichst unanfällig ist? Man lässt möglichst viel weg!

Erstaunlich viel in diesem Fall, in der Renntechnik läuft so etwas übrigens unter dem Begriff der „Entfeinerung“. Weniger als zwei Zylinder sollten es allerdings nicht werden, wegen der Laufkultur. Um diese zu perfektionieren, nahm man dann wieder die Komplikation in Kauf, einen Boxer zu konstruieren. Hier heben sich die Massenkräfte gegenseitig auf, die Kurbelwellenlager müssen daher nur ein Bruchteil der Kräfte aufnehmen wie die in einem ein Vierzylinder-Reihenmotor. Zwei genügen daher. Bei einem Zweizylinder-Boxer bleibt zwar ein minimaler Vibrationsfaktor durch den Versatz der beiden Zylinder übrig – spürbar ist der aber kaum.

Die Kurbelwelle ist mit den unteilbaren, gleitgelagerten Pleueln aus den beiden äußeren Kurbelwangen mit den Hauptlagerzapfen, zwei Hubzapfen und dem Zwischenstück zusammengeschrumpft. Auf dem vorderen Kurbelwellenstumpf ist das vordere, einteilige Kurbelwellenlager aus Aluminium hinter dem aufgeschrumpften Nockenwellen-Steuerrad gefangen. Das hintere Kurbelwellenlager ist ebenfalls einteilig. Nur aufgesteckt, wird es nach dem Einbau von Passtiften im Kurbelgehäuse positioniert. Unterhalb der Kurbelwelle rotiert die Nockenwelle, bei der die Stößelschmierung von abgeschleudertem Öl aus der Kurbelwelle profitiert.

Dauerhaft spielfreier Nockenwellenantrieb

Ein Clou ist der spielfreie Eingriff der Steuerräder: Das Nockenwellensteuerrad ist in zwei Hälften geteilt, die mit Federn gegeneinander verspannt sind. Ein Teil ist auf die Welle geschrumpft, der andere um ein paar zehntel Milimeter frei verdrehbar. Die eine Hälfte der in Eingriff befindlichen Zähne drückt so gegen die eine, die andere Hälfte gegen die andere Seite der Zahnflanken des Steuerrads auf der Kurbelwelle – jegliches vorhandene oder im Laufe des Motorlebens unweigerlich entstehende Spiel wird so zuverlässig eliminiert. Der andere Vorteil: Während der Produktion mussten keine Toleranzen bei den Motorgehäusebohrungen bzw. Antriebsrädern berücksichtigt werden. Ohne Spielausgleich ist so etwas nur über ein arbeitsaufwendiges "Matching" der fertig produzierten Bauteile in mehreren Gruppen möglich.

Das hintere Ende der Nockenwelle ist im Aluminiumgehäuse der Ölpumpe gelagert und treibt den vierzähnigen Innenläufer einer Trochoidpumpe an (anfangs war es noch eine Sichelpumpe). Sie saugt das Schmiermittel aus der Ölwanne durch eine senkrechte Gehäusebohrung, an deren Ende ein Ölsieb verschraubt ist. Die Kolbenböden werden aktiv durch Spritzdüsen in den Pleuelstangen ölgekühlt. Der Schmierstoff wird von der Ölpumpe durch die Kurbelwelle, die Hubzapfen und schließlich die Pleuel gedrückt, wo es schließlich oberhalb nach Schmierung des Pleuelauges zur Kühlung des Kolbenbodens austritt.

Ölfluss

Auch die Auslassventilführungen sind ölgekühlt, hier wird das kühlende Nass von außen über Leitungen geführt, bevor es im Kopf am Ventilschaft entlangströmt und schließlich oben austritt und über die Stoßstangenschutzrohre unterhalb des Zylinders wieder ins Kurbelgehäuse gelangt. Ein Teil des Öls durchläuft seit 1961 einen Papier-Feinfilter (anfangs unsichtbar in der Ölwanne, später als Kartusche außen angeschraubt) und schon immer einen großen Nebenstrom-Ölkühler direkt im Luftstrom des Ventilators.

Bestimmt hat sich Beccia auch die Motorradmotoren von BMW angesehen. Die konstruktiven Schwächen der damals aktuellen Boxer wie die rollengelagerten Pleuel und Kurbelwellen und die oberhalb der Kurbelwelle liegende Nockenwelle hat er vermieden. Der Motorrad-Boxer bekam erst 1969 die langersehnten Gleitlager und eine kettengetriebene Nockenwelle im „Untergeschoß“. Bis dahin konnten BMW-Fahrer schon zwischen 40.000 und 80.000 Kilometern eine Neulagerung der Kurbelwelle einplanen – was Citroën seinen Kunden ersparen wollte.

Ohne Kopf- und Fußdichtung

Das Aluminium-Kurbelgehäuse besteht aus zwei Hälften und wird ohne Dichtung verschraubt. Auch die Zylinder aus Grauguss sitzen wie beim Volkswagen ohne Kopf- und Fußdichtung zwischen dem Kurbelgehäuse und den ebenfalls aus Aluminium gegossenen Zylinderköpfen. Wegen der unterschiedlichen Wärmedehnung von Zylindern und Kolben wird das Hemd der Leichtmetallkolben bei kaltem Motor von eingegossenen Bimetallstreifen leicht gespreizt, um das Laufspiel im Zylinder auszugleichen. Bei zunehmender Erwärmung bringt die Bimetalleinlage diese sogenannte Autothermatik-Kolben ihre richtige Form bei Betriebstemperatur. Das Laufspiel ist also automatisch temperaturgeregelt, was Ölverbrauch, Kohlenwasserstoff-Emissionen sowie Verschleiß senkt. Geräuschkomfort und Leistung werden gleichzeitig verbessert.

Ganze drei Stehbolzen sind genug, um dem Zünddruck zu widerstehen, der untere endet im „Boden“ des Ventilgehäuses, die oberen beiden sind so weit verlängert, dass sie zusätzlich die beiden Kipphebelwellen fixieren. Die Stoßstangen aus Aluminium mit Endstücken aus Stahl sind zwar lang, aber doch leicht genug für hohe Drehzahlen: Die Ventile des von 1968 bis zuletzt gebauten „M28“ mit 602 Kubikzentimetern begannen erst ab etwa 7200/min zu flattern, obwohl seine höchste Leistung bereits bei knapp 6000 Touren anlag.

Den Hemi gibt es nicht nur als V8

Ein eigenes Kapitel sei den Zylinderköpfen gewidmet. Die für einen Einfachmotor in einem Gebrauchskleinstwagen damals relativ hohe Literleistung erreichte der des 2CV mit hemisphärischen Köpfen. Durch ihre halbkugelige Form bot sie den beiden Ventilen mehr Platz für größere Ventilteller – und ermöglichten durch die großen Strömungsquerschnitte und die schräg gegenüberliegenden Kanäle eine gute Entdrosselung der Gaswechselvorgänge. Deshalb hängen die Ventile auch schräger als das bei modernen Vierventilmotoren üblich ist.