EU-Kommission gewährt Informationszugang nach Gutsherrenart

Anfragen auf Informationszugang werden nicht fristgerecht und unvollständig beantwortet. Außerdem verbessert die Kommission ihr Dokumenten-Register nicht, damit Anfragen gezielter gestellt werden können.

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(Bild: Alain Schroeder, EU-Kommission)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Administrative Unterlagen der Kommission und des Rats sind bis heute trotz Drängens des EU-Parlaments nicht öffentlich zugänglich. Technisch möglich wäre dies, da die Kommission für diese ein Register in der ARES-Datenbank führt, die alle Dokumente enthält. Wichtig wäre das etwa, um Lobby-Aktivitäten nachzuvollziehen oder Korruptionsprozessen in der Verwaltung vorzubeugen.

Ein Register soll den Zugang zu den Dokumenten erleichtern. Doch seit Jahren unternimmt die EU-Kommission keine Schritte, um eine öffentliche Abfrage-Schnittstelle für das ARES-Register zu implementieren. So werden Anfragen nicht oder unvollständig beantwortet. In der Praxis lässt sich dies mit Anfragen von Guido Strack, einem ehemaligen Mitarbeiter der EU-Kommission und Gründer des Whistleblower-Netzwerks, sowie mit Anfragen der Europa-Abgeordneten Julia Reda (Piraten) belegen.

Strack hatte versucht, Zugang zur ARES-Datenbank und bestimmten, darin gespeicherten Informationen zu bekommen. Anfangs erhielt er eine Excel-Datei mit den Kategorien, mit denen die Kommission ihre Dokumente klassifiziert. Damit konnte er weitere Abfragen nach bestimmten Kategorien initiieren. Die meisten Dokumente erhielt er aber nicht, weil die Kommission ihm vorwarf, sie willkürlich ausgewählt zu haben. Weil aber die Verordnung nicht verlangt, dass Antragsteller ihre Gründe angeben müssen, kritisierte auch die Bürgerbeauftragte diese Entscheidung. Anstatt die Kommission aber zur Herausgabe aufzufordern, verwies sie den Antragsteller darauf, erneut einen Antrag zu stellen.

Im weiteren Verlauf zeigte sich ein weiteres Problem: Die Kommission entschied mehr oder weniger willkürlich, welche Dokumente Strack erhalten sollte. Die wenigen Dokumente, die er erhielt, waren teilweise geschwärzte Screenshots der Suchergebnisse in den ARES-Abfragemasken. Die Bürgerbeauftragte behauptet, damit sei der größte Teil seines Begehrens erledigt. Überdies musste Guido Strack in einem guten Dutzend Fälle Beschwerde einlegen, weil die Kommission regelmäßig die Antwortfrist verstreichen ließ. Ohne die Beschwerden wären die Anfragen bei der Kommission versandet.

Die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly stellte aber die Beschwerdeverfahren unter anderem aus Ressourcenknappheit ein. Strack, der sich mit seinen Anfragen vor allem ein Bild über die Inhalte von ARES verschaffen wollte, kennt mehrere Fälle, in denen Bürger ebenfalls über Jahre vergeblich versucht haben, für sie wichtige Dokumente von der Kommission zu erhalten und die Europäische Bürgerbeauftragte deren Interessen nicht mit Nachdruck vertrat.

Der Europäische Bürgerbeauftragte hatte allerdings bereits 2008 die Kommission für ihr Vorgehen gerügt, damals hatte Nikiforos Diamandouros dieses Amt inne. Er forderte, dass alle Dokumente im öffentlich zugänglichen Register enthalten sein müssen. Sechs Jahre später hat sich seine Nachfolgerin O‘Reilly aber mit dem ungenügenden Status quo abgefunden: Sie teilt die Ansicht der Kommission, diese dürfe entscheiden, welche Dokumentenkategorien fehlen dürfen. Antragsteller Guido Strack kritisiert: "Sie bürdet damit Antragstellern auf, nachzuweisen, dass bestimmte Dokumente in das Register aufgenommen werden müssten, ohne dafür ihrerseits klare Kriterien zu benennen."

Überdies fordert die Europäische Kommission seit Neuestem von den Bürgern, eine postalische Adresse anzugeben, wenn sie Zugriff auf ihre Dokumente erhalten wollen. Damit solle verhindert werden, dass Bürger missbräuchlich Anträge unter verschiedenen Identitäten stellen. Julia Reda fragte bei der Kommission nach, wie viele solcher Fälle es in den vergangenen Jahren gegeben habe. Dabei stellte sich heraus, dass es seit 2001 gerade einmal einen einzigen solchen Fall gegeben hat. Reda kritisiert, dass die neue Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen von "legitimer" Nutzung der Informationsfreiheit spricht: "Wie schnell Informationsrechte eingeschränkt werden, wenn man anfängt, zwischen 'legitimen' und 'illegitimen' Nutzungen von Grundrechten zu unterscheiden, kann man an der Forderung sehen, eine postalische Adresse anzugeben."

Der Jurist Guido Strack beobachtet seit Jahren, wie die Kommission mit dem Recht der Bürger auf Informationszugang umgeht – und wie das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg auf Klagen der Bürger reagiert. Er kommt zu dem Schluss: "Die Verordnung wird vom Gerichtshof systematisch immer mehr entleert." So stellte das Europäische Gericht etwa erst vor kurzem fest, dass die Kommission nur vorhandene Abfragemöglichkeiten nutzen und keine neuen Schnittstellen implementieren muss (T-214/13). In einem anderen Fall entschied das Gericht, dass ein Kläger keinen Anspruch auf einen Registerauszug durchsetzen kann, wenn die Kommission behauptet, dieser existiere nicht (C-127/13P).

Ein weiteres Verfahren findet seit mittlerweile über zehn Jahren zu keinem Abschluss: So befand der Europäische Bürgerbeauftragte 2007, dass die Kommission und die Anti-Korruptionsbehörde OLAF Stracks Recht auf Dokumentenzugang verletzt haben. Er forderte Strack auf, einen neuen Antrag auf Informationszugang zu stellen, den die Kommission aber als Wiederholungsantrag ablehnte. Auf eine parlamentarische Anfrage des grünen Abgeordneten Jan Philipp Albrecht antworte die Kommission, es gebe nur ein einziges Klageverfahren. Dieses hatte aber nichts mit Strack zu tun. 2008 reichte Strack in der Angelegenheit Klage (T-221/08) in erster 1. Instanz beim Gericht der Europäischen Union ein. Erst im Oktober 2014 kam es zu einer ersten mündlichen Verhandlung. Bis heute wurde ein Urteil noch nicht einmal angekündigt. (anw)