Der Speditör hat's schwör

Wir pflegen ein ambivalentes Verhältnis zum LKW-Verkehr: Einerseits brauchen wir sie für Just In Time und unseren Versandhandel-Fetisch, andererseits vergessen wir, dass in den Kabinen Menschen sitzen

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Ich möchte eine Lanze für die deutschen Trucker brechen. Keine Ahnung, wieso man das überhaupt tun muss, wahrscheinlich wissen die meisten Menschen nicht, wie deren Alltag aussieht, weil sie es nicht wissen wollen. Wir wollen alle unseren Hausrat bei Amazon bestellen, aber wenn der LKW, der diesen Hausrat bringt, einen anderen LKW voller Hausrat überholt, dann sind diese zwei Minuten Wartezeit eine Zumutung sondergleichen. Die deutsche Industrie hat sich damals mit Schmackes ins Kanban-Lagerhaltungssystem geschmissen ("Just in time"), das letztendlich bedeutet, dass ein relevanter Teil unserer Lagerhaltung auf den Autobahnen stattfindet.

Schon zu den zarten Anfängen dieser Entwicklungen spürten die Trucker (die wir damals noch "Brummi-Fahrer" nannten) die Ablehnung, die aus der erhöhten Anzahl von Transportfahrzeugen resultierte. Speditionen platzierten die rechtfertigenden Eigenwerbungen auf ihre Fahrzeuge, die wir heute überall sehen: "Natürlich bin ich langsam. Ich schleppe Ihnen ja auch den spanischen Rotwein nach Hause." Vielleicht erlaubt es mir meine Tätigkeit als Berufskraftfahrer, ein besseres Bild des Brummi-Fahrers zu bilden, und dieses bessere Bild schaut so aus: Die deutschen Trucker sind die besten in Europa.

Der Speditör hat's schwör (6 Bilder)

Politik: Lang-LKW sollen den LKW-Verkehr reduzieren. Realität: Es fahren jetzt außer normalen auch lange LKW, die unsere steigende Transportnachfrage bedienen.
(Bild: Daimler Trucks)

Das fängt für mich als Motorradfahrer bei Rücksicht an. Vielleicht liegt es an der Ausbildung, aber deutsche LKW-Fahrer verhalten sich im Schnitt auf eine Weise rücksichtsvoll, die allen anderen Verkehrsteilnehmern gut zu Gesicht stünde. Das hat natürlich den Hintergrund, dass man in einem Schwerlastzug durchaus einen kompletten Kleinwagen überfahren kann, ohne es zu merken. Aber das ist anderswo ja nicht anders. Nur die Einstellung ändert sich von Land zu Land. In Großbritannien zum Beispiel kannst du vom typischen LKW-Fahrer sehr wenig Rücksicht erwarten, aber ein erstaunliches Vokabular an Aggression, obwohl die Briten ansonsten ein vorbildliches Autobahn-Verhalten zeigen.

Seit der Wartungszustand des deutschen Autobahn-Netzes auf "Dauerbaustelle" steht, quetscht sich in jeder Baustelle jeder Lieferwagen an jedem erreichbaren Lastwagen vorbei. Wenn die Polizei mal einen anhält und mit über 2,50 Metern Breite über Spiegel vermisst, ernten die Beamten Unwissenheit, Unverständnis oder beides zusammen mit Trotz. Das Problem bleibt an den Truckern hängen. Die Tage habe ich ein, zwei LKW gesehen, die in Baustellen so weit zur Mitte hinfuhren, dass selbst dem ambitioniertesten Sprinterkurier keine Illusionen blieben, er könne da noch durchpassen. Freundlicherweise machten sie mir auf dem Motorrad dennoch Platz, denn das ist keine 2,50+ Meter breit. Warum aber blockierten sie die Baustelle? Ich denke, es ist Selbstschutz.