Wasserstoff aufge-bort?

Israelische Forscher haben ein „Wasserstoff-on-demand“-Konzept für Automotoren entwickelt, bei dem die aufwändige Aufbereitung und der Transport von Wasserstoff zum Kunden entfallen würden. Schlüssel zum Erfolg soll das Element Bor sein.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jens Frantzen

Der Wasserstoffantrieb fürs Auto ist ja eine schöne Idee. Grundsätzlich. Wer kann schon etwas gegen Kraftfahrzeuge haben, aus deren Auspuff höchstens ein wenig Wasser tröpfelt? Doch genauso grundsätzlich krankt es bislang an seiner Wirtschaftlichkeit. Bis flüssiger oder unter hohem Druck verdichteter und damit tankfertiger Wasserstoff beim Endverbraucher angekommen ist, muss in seine Gewinnung, Verdichtung und seinen Transport so viel Energie hineingesteckt werden, dass Ökonomen wie Ökologen über seine Energiebilanz nur noch die Köpfe schütteln.

Auf den ersten Blick scheint daher sehr interessant zu sein, was Forscher um Dr. Tareq Abu Hamed am Weizmann Institute of Science im israelischen Rehovot entwickelten: eine Wasserstoff-on-demand-Lösung fürs Automobil. Erst im Fahrzeug selbst soll der Treibstoff generiert werden, um so die ganze energie- und kostenaufwändige Aufbereitung und Transportlogistik überflüssig zu machen. Elementare Chemie soll da helfen, konkret das chemische Element mit der Ordnungszahl 5. Gestatten: Bor, Halbmetall.

Für die Forscher war Bor aufgrund einer wesentlichen Eigenschaft hochinteressant: seiner hohen Affinität zu Sauerstoff. Kombiniert man Bor – in seiner amorphen Form ein bräunliches Pulver – mit Wasser, geht es eine starke Bindung mit dem Sauerstoff ein und bildet Boroxid. Zurück bleibt der Wasserstoff und kann so für eine Brennstoffzelle oder einen Wasserstoffmotor genutzt werden.

Abu Hamed – mittlerweile an der University of Minnesota – will einfach mittels zweier Tanks, die kontrollierte Mengen von Bor und Wasser miteinander kombinieren, den Wasserstoffbedarf des Autos auf Abruf produzieren. Er schätzt, dass ein Auto separat etwa 18 Kilogramm Bor und 45 Liter Wasser mitführen müsste, um fünf Kilogramm Wasserstoff zu produzieren. Ein durchschnittliches Auto führe damit nach Abu Hameds Berechnungen etwa 350 Kilometer weit.

Das dabei als einziges Abfallprodukt entstehende Boroxid könnte an den Tankstellen gesammelt und recycelt werden. Auch darum haben sich die Forscher schon Gedanken gemacht. Ein Verfahren, bei dem unter Zuhilfenahme von Magnesiumpulver das Boroxid wieder in seine Ausgangsform Bor zurückverwandelt wird, funktioniert in einem solarbetriebenen Prozess. Und zwar, ebenso wie die Wasser-Bor-Antriebe, gänzlich emissionsfrei.

Nun der Haken. Jedenfalls wenn man dem zur Autorität unter den Wasserstoff-Kritikern avancierten Brennstoffzellenforscher Ulf Bossel glaubt. „Sobald die Leute ‚emissionsfrei’ hören, schaltet die Begeisterung den Verstand aus“, findet er. Und verweist auf das Grundprinzip des Bor-Wasser-Projekts. Wir erinnern uns: Bor ist extrem sauerstoffaffin. „Und darum kommt es auf der Welt auch nirgendwo in ungebundener Form vor. In allen Lagerstätten liegt es schon in einer Sauerstoffverbindung. Sie müssen es erstmal davon lösen“, erklärt Bossel.

Ergo: Energie reinstecken, um den Sauerstoff zu lösen, damit man hinterher wieder anderen Sauerstoff binden kann. „Wenn man nur mit chemischen Gleichungen arbeitet, kann das ja noch attraktiv sein, aber mit Blick auf die Energiebilanz ein ziemlich blanker Unsinn. Dass die Ingenieure das nicht nachrechnen...“ So scheint der Ansatz aus Israel zwar durchaus einige Probleme der Wasserstoffwirtschaft wirkungsvoll zu eliminieren, ersetzt sie aber nahtlos durch neue Energieprobleme.

Abu Hamed hingegen dementiert: „Wir produzieren das Ausgangsmaterial Bor mit Solarenergie, ebenso wie wir das später vom Auto erzeugte Boroxid behandeln.“ Der Wirkungsgrad der Umwandlung des Sonnenlichts in die Motorarbeit betrage derzeit 11 Prozent, sagt der Ingenieur. Man arbeite aber auf einen späteren Grad von rund 35 Prozent hin. „Das wäre dann durchaus akzeptabel“, so Abu Hamed, der nach seinem Doktor in Chemical Engineering schließlich drei Jahre lang im Energy Department am Weizmann Institute arbeitete, einer der renommiertesten Einrichtungen für Solarenergieforschung überhaupt.

Als Argument verweist er noch einmal auf die durchgängig genutzte Sonnenenergie. So funktioniert die Gewinnung des Bors ebenso wie die des Wasserstoffs – im Unterschied zum derzeit gängigsten Wasserstoffherstellungsverfahren, der Dampfreformierung von Erdgas – komplett ohne Ausstoß von Kohlendioxid. Momentan ist das Projekt noch Theorie, ein funktionierender Prototyp soll im Jahr 2009 folgen.

Tareq Abu Hamed jedenfalls will seinen Postgraduate-Aufenthalt in den USA für weitere Wasserstoff-Forschung und Sponsoren für das Bor-Projekt gewinnen. Die Chancen auf eine amerikanische Finanzierung stehen – Energieeffizienz hin oder her – gar nicht so schlecht, hat er doch ein gewichtiges geopolitisches Argument für sich: Die größten Boroxid-Lagerstätten der Welt liegen in der Türkei – und in Kalifornien. (nbo)