Digital Innovation Model: In neun Schritten zum funktionierenden Softwarekonzept

Wer eine erfolgreich Anwendung entwickeln will, sollte von Anfang an die Kundensicht einfließen lassen. Das sogenannte Digital Innovation Model kann hierfür eine einfache und schnelle Strategieentwicklung ermöglichen. Eine Erläuterung am Beispiel des neuen Ticketautomaten von Abellio Rail.

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Von
  • Stephan Preuss
Inhaltsverzeichnis

Wer eine erfolgreich Anwendung entwickeln will, sollte von Anfang an die Kundensicht einfließen lassen. Das sogenannte Digital Innovation Model kann hierfür eine einfache und schnelle Strategieentwicklung ermöglichen. Eine Erläuterung am Beispiel des neuen Ticketautomaten von Abellio Rail.

Was haben Otto, Nokia, die Schufa und der Bundesstaat Kalifornien gemeinsam? Alle sind mit digitalen Projekten teuer gescheitert. Allein sind sie damit nicht. Laut dem seit 1994 jährlich erscheinenden Chaos Manifesto der Standish Group wurden 2012 im Schnitt nur 39 Prozent aller IT-Projekte erfolgreich abgeschlossen. Je größer die Unterfangen, desto häufiger scheiterten sie. Bei Projekten größer 10 Millionen US-Dollar lag die Erfolgsquote bei nur noch 10 Prozent, während 38 Prozent abgebrochen und 52 Prozent teurer oder verspätet fertiggestellt wurden. Eine aktuelle McKinsey-Studie beziffert die Höhe der gescheiterten digitalen Projekte (abgebrochen, Mehrkosten, Zeitverzug) in Deutschland für 2013 auf 56 Prozent.

Erfolg und Scheitern von IT-Projekten: Die Realität großer IT-Projekte sieht traurig aus - nur 10 Prozent erreichen ihre Ziele (Abb. 1)

Die Gründe des Scheiterns sind in der Regel hausgemacht. Nicht nur, dass Unternehmen in Bezug auf die Erwartungen an das Ergebnis oft im Dunkeln stochern, in vielen Fällen scheitern Projekte wegen interner Unstimmigkeiten und Kommunikationslücken. Als häufigste Ursachen des Scheiterns nennt die Standish Group:

  • fehlende oder falsche Anforderungen
  • fehlende Nutzerbeteiligung
  • schlecht definierter Projektumfang
  • unrealistische Deadlines
  • fehlende Risikoanalyse
  • fehlender Kommunikationsplan
  • fehlendes Change Management
  • unterschätzte beziehungsweise zu große Komplexität

Das Scheitern der Projekte wurde (und wird) demnach bereits in der Planungsphase verschuldet.

Ein IT-Projekt-Konzept muss sowohl die Anforderungen der Nutzer, die Möglichkeiten des Produktdesigns als auch die Unternehmensziele abbilden. Zudem muss es alle Betroffenen und Interessengruppen zu Beteiligten machen. Diese Nutzerorientierung ist das Herzstück einer sinnvollen Entwicklungsmethode für digitale Projekte. Wer sich als "Digitator", als digitaler Diktator ohne Kundensicht, verhält, verliert die Nutzer an die vielen Alternativen. Zudem werden innerhalb von Unternehmen digitale Neuerungen häufig regelrecht boykottiert, wenn sie schlecht umgesetzt sind.

Die digitale Transformation benötigt also praktische Methoden, die alle Beteiligten an einen Tisch holen und die Komplexität für alle Beteiligten gering halten. Dabei helfen die Erkenntnisse aus Adoptions-, Diffusions- und Technikakzeptanzforschung sowie Usability- und Kommunikationspsychologie.

Der Autor sieht fünf Kriterien für erfolgreiche Projekte in der Digitalisierung:

  1. Die Zielgruppe ist nach dem erfolgversprechendsten Nutzer zu definieren.
  2. Die Nutzer müssen subjektiv wahrnehmen, dass das digitale Produkt für sie von hohem Nutzen ist. Sie müssen damit alltägliche Aufgaben lösen können.
  3. Neue Techniken müssen selbsterklärend, intuitiv und für eine effiziente Bearbeitung der eigentlichen Aufgabe entworfen sein.
  4. Auf den Erstnutzen kommt es an. Ein digitales Produkt hat zehn Sekunden, um die Aufmerksamkeit des potenziellen Nutzers zu wecken, und 30 weitere Sekunden, um den Nutzer von seiner Relevanz und Praktikabilität zu überzeugen (10/30-Regel).
  5. Man sollte Diffusionseffekte einbauen. Ein tolles digitales Produkt muss sich durch die Nutzer selbst verbreiten.

Daraus ergibt sich ein methodischer Ansatz, den der Autor das Digital Innovation Model (D-Model) nennt. Es ist eine Design-Thinking-Methode, anhand derer eine Projektgruppe schnell zu belastbaren digitalen Strategien kommt. Design Thinking beschreibt einen Ansatz zum Lösen von Problemen und der Entwicklung von Ideen aus Nutzersicht. Die Grundfrage bei dem Ansatz ist stets: "Ist die Idee aus Nutzersicht überzeugend?".

Ein typischer Durchlauf dauert nur circa einen halben Tag. Das D-Model soll in neun Schritten ermöglichen, alle relevanten Erfolgsfaktoren zu identifizieren und auszuarbeiten. Kern des Modells sind die richtigen Fragen.

Alles beginnt beim Nutzer - das Digital Innovation Model im Überblick (Quelle: www.dmodel.com) (Abb. 2).

Die Grundideen sind hierbei:

  • Alle Nutzer beziehungsweise Interessenten werden berücksichtigt.
  • Alle relevanten Aspekte (Nutzer, Diffusion, Produktdesign, Unternehmenserfolg, Störfaktoren) des Erfolgs einer Idee werden berücksichtigt.
  • Ein Strategiemodell muss iterativ, also mehrfach und mit wachsender Konkretisierung durchlaufen werden.
  • Alle Aspekte werden auf einem Arbeitsposter visualisiert, das die Komplexität bewusst gering hält. Die Konzeptentwicklung kann in nur einem Tag erfolgen.
  • Das Strategiemodell (nebst Arbeitsposter) ist unter Creative Commons lizenziert und lässt sich frei nutzen.