Bundesverfassungsgericht stärkt erneut Pressefreiheit und Informantenschutz

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Redaktionsräume oder Wohnungen von Journalisten nicht durchsucht werden dürfen, um vorrangig den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären.

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Sitzungssallgebäude und Bibliothek

Sitzungssallgebäude (l.) und Bibliothek

(Bild: Bundesverfassungsgericht, Stephan Baumann)

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Die Durchsuchung von Redaktionsräumen der Berliner Morgenpost sowie der Privatwohnung eines Reporters der Zeitung im November 2012 war nicht vom Grundgesetz gedeckt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht Mitte Juli in mehreren Beschlüssen entschieden, die es am Freitag veröffentlicht hat (Az. 1 BvR 1089/13 und 1 BvR 1090/13 sowie 1 BvR 2480/13). Räumlichkeiten von Pressevertretern dürfen demnach nicht inspiziert werden, wenn es Polizei und Staatsanwaltschaft vor allem darum geht, den Verdacht von Straftaten von Informanten aufzuklären.

Für solche Durchsuchungen sind laut Gericht "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen Presseangehörigen" erforderlich, die den Beschlagnahmeschutz nach Paragraph 97 Strafprozessordnung entfallen ließen.

Die Presse könne auf private Mitteilungen nicht verzichten, begründen die Richter ihre Entscheidung. Hinweise erhalte sie aber nur, wenn sich der Informant grundsätzlich darauf verlassen könne, dass das Redaktionsgeheimnis gewahrt werde. Wenn aber Presseräume durchsucht würden, werde nicht nur die redaktionelle Arbeit gestört, sondern möglicherweise durch einschüchternde Wirkung auch die Pressefreiheit beeinträchtigt.

Ein Journalist der Berliner Morgenpost und der Axel-Springer-Verlag als Kläger setzten sich so gegen die Staatsanwaltschaft Berlin durch. Diese hatte 2012 gegen einen Polizisten des Landeskriminalamts (LKA) ermittelt. Der Kripo-Beamte stand unter Verdacht, Informationen zu einer geplanten Razzia gegen die Rockergruppe Hells Angels an Journalisten eines Online-Portals weitergegeben zu haben.

Die Nachrichtenwebsite gehörte nicht zum Axel-Springer-Verlag. Trotzdem ordnete die Staatsanwaltschaft die nun für rechtswidrig erklärten Durchsuchungen an. Ursache war, dass der Verdächtige dem Reporter bei Recherchen in Amsterdam zum Verschwinden von zwei Kindern in den 1990ern gegen ein ungewöhnlich hohes Honorar von über 3149 Euro geholfen und sich dafür bei seinem Arbeitgeber krank gemeldet hatte. Die Rechnung an die Chefredaktion der Morgenpost endete mit dem Satz: "Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barauszahlung."

Den Strafverfolgungsbehörden ging es in dem Fall "zumindest vorwiegend" darum, "belastende Tatsachen gegen einen Informanten aus Polizeikreisen" zu finden, konstatieren die Richter. Bezogen auf dessen Kontakt zu den Beschwerdeführern handele es sich jedoch um "bloße Mutmaßungen". Der Tatbestand der Bestechung verlange hingegen, dass eine hinreichend konkrete Diensthandlung vorgenommen worden sei.

Carsten Erdmann, Chefredakteur der inzwischen zur Funke-Mediengruppe gehörenden "Berliner Morgenpost" begrüßte die Entscheidung als "großartiges Grundsatzurteil für alle Journalisten". Das lange Verfahren habe sich gelohnt. Eine Anwältin der Zeitung sprach von einem "wichtigen Sieg für die Pressefreiheit".

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2007 die Durchsuchung der Redaktionsräume des Magazins Cicero und die dortige Beschlagnahme von Beweismitteln für verfassungswidrig erklärt und den Informantenschutz gestärkt. 2012 beschloss der Gesetzgeber auf Initiative der Bundesregierung, dass Beihilfehandlungen zum Geheimnisverrat nach Paragraph 353b Strafgesetzbuch (StGB) nicht mehr als rechtswidrig anzusehen sind. Strafbar bleibt es dagegen etwa, zum Geheimnisverrat anzustiften oder insbesondere Honorare für dienstlich erlangte Informationen zu zahlen.

Mit dem Gesetzentwurf für eine neue Vorratsdatenspeicherung will das Bundeskabinett seinen Kurs nun aber ändern. Es plant damit einen Paragraphen gegen "Datenhehlerei", der nach Ansicht von Experten und Presseverbänden Journalisten und Whistleblower bedroht, wenn diese etwa Datenschutzverstöße aufdecken. (anw)