Urheberrecht im Digitalzeitalter: Ein "Kampf um Gerechtigkeit"

Die Berlin Music Week war einmal. Der Nachfolger ist das kompakte Festival "Pop-Kultur" und ist ins Berghain umgezogen. In dem weltberühmten Techno-Club hat sich auch der Bundesjustizminister eingefunden, um mit Musikern übers Urheberrecht zu reden.

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Silke Super

Moderatorin Silke Super stellt die Diskutanten vor.

(Bild: heise online/vbr)

Lesezeit: 4 Min.
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Ohne Copyright geht es nicht. Wenn sich die Musikbranche trifft, dann wird debattiert über Digitalisierung, Musikstreaming und die Herausforderungen für das Urheberrecht. Das war auch zum Abschluss des Kleinfestivals "Pop-Kultur" nicht anders, das am Freitagabend in Berlin zu Ende ging. Der Nachfolger der "Berlin Music Week" ist kompakter, unter neuem Management und vom Ostberliner Postbahnhof ein paar Meter weiter ins Berghain umgezogen.

Und weils um Recht geht, hat sich hoher Besuch angesagt. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) diskutierte mit Branchenvertretern darüber, wie ein modernes Urheberrecht im Zeitalter der Digitalisierung aussehen könne. Mit dem Sozialdemokraten auf dem Podium: Label-Managerin Anne Haffmans und der Produzent/DJ Daniel Meteo, der kurzfristig für den erkrankten Alec Empire einsprang. Und, natürlich, Dieter Gorny – auf so einer Veranstaltung darf der Chef-Lobbyist der Musikindustrie nicht fehlen.

Es sind Gorny und Haffmans, die bei aller Skepsis angesichts der vielen ungelösten Probleme auch die Chancen der Digitalisierung betonen. Zum Beispiel die der "faktischen Fairness", wie es Gorny nennt. Die neue Technik ermöglicht transparente und schnelle Prozesse, von der alle Beteiligten profitieren können. Die vielgescholtenen Musikstreaming-Dienste eröffnen Nutzern illegaler Angebote "einen Weg in die bequeme Legalität", meint Haffmans und findet, die solle man sich erstmal entwickeln lassen, bevor jemand nach dem Staat ruft.

Der Staat gibt sich ebenfalls zurückhaltend. In Vertragsfragen werde er sich nicht einmischen; das sei Sache der Marktteilnehmer, betont Maas. Der Justizminister ist der Ansicht, dass das "alte Verbotsrecht" den Herausforderungen der digitalen Ära nicht mehr gewachsen ist. Einen "großen Wurf", der alles regele, hält er angesichts der rasend schnellen Entwicklung der Technik aber für illusorisch.

Auch Haffmans hält den Staat lieber aus dem Geschäft raus. Über den Schlüssel, nach dem die Einnahmen der neuen Musikdienste verteilt werden, müsse aber noch einmal gesprochen werden. Es sind vor allem die großen Labels und ihre Weltstars, die von den Streaming-Einnahmen profitieren. Junge und unabhängige Künstler haben es schwerer, sich mit den neuen digitalen Formaten eine Existenz aufzubauen. Darüber redet Gorny, dessen Verband die Major Labels vertritt, an diesem Abend nicht.

Künstler wie Daniel Meteo stellt das alte Urheberrecht vor ganz neue Probleme: Es ist nicht für die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten im digitalen Zeitalter ausgelegt. Ob man seine Werke im Netz nun schützen oder ihre legale Nutzung ermöglichen will – der Verwaltungsaufwand ist immens. Etwa wenn Fans Lizenzen für ihre Hochzeitsvideos erwerben möchten: "So Anfragen können wir gar nicht mehr bearbeiten", erklärt Meteo, auch weil sie viel Zeit kosten.

Besserung ist jedoch in Sicht. Im Herbst will Maas ein neues Urhebervertragsrecht und neue Regeln für die Verwertungsgesellschaften auf den Weg bringen. Vor allem von letzteren verspricht sich der Minister mehr Transparenz und Erleichterungen für Künstler, die ihre Werke länderübergreifend lizenzieren wollen. Läuft alles gut, könnten die Gesetze Anfang 2016 durch den Bundestag, hofft Maas. Die derzeit laufende Copyright-Reform auf EU-Ebene dürfte ein bisschen länger dauern.

Unterdessen wird der "Kampf um Gerechtigkeit" (Gorny) auf allen Ebenen weitergeführt. Maas will den illegalen Angeboten ans Portemonnaie und deren Nutzer in legale Bahnen lenken. Er bedauert, dass die von der Werbewirtschaft geplante Selbstverpflichtung an den Bedenken des Kartellamts gescheitert ist. "Wenn das kartellrechtlich nicht geht, dann muss man es möglicherweise gesetzlich regeln", brachte der Justizminister eine politische Lösung ins Spiel. Das wird Parteifreund Gorny gerne hören, der neben seinem Lobby-Job auch "Digitalbeauftragter" im Haus von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ist, dem ehemaligen Pop-Beauftragten der SPD.

Es ist überhaupt sehr viel SPD an diesem Abend im Berghain. Auch gesichtet: Björn Böhning, bei den Berliner Sozialdemokraten für den Pop zuständig. Der Chef der Senatskanzlei war maßgeblich an der Gründung des inzwischen als nominell unabhängige GmbH firmierenden "Pop-Kultur"-Veranstalters Musicboard Berlin beteiligt. Das neue Festival, das die zuvor bei der Senatsverwaltung Wirtschaft angesiedelte Berlin Music Week mit neuem Konzept ablöst, fällt damit in seine Zuständigkeit. (vbr)