Dynamische Preise mit Big Data

Teurere Kleider verkaufen sich mitunter besser als billige. Intelligente Algorithmen sollen solche Zusammenhänge herausfinden und für eine automatische Preisgestaltung nutzen.

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Michael Feindt, Blue Yonder

GrĂĽnder Michael Feindt

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Wer die Preise senkt, verkauft mehr – sollte man meinen. Doch so einfach ist der Zusammenhang nicht. Das Karlsruher Unternehmen Blue Yonder bietet seinen Kunden seit kurzem an, mithilfe von Big-Data-Algorithmen den optimalen Preis für ein Produkt zu ermitteln, je nachdem, ob ein Händler seinen Umsatz, seinen Gewinn oder beides optimieren möchte. Das berichtet das Magazin Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 9/2015 (jetzt am Kiosk oder hier zu bestellen).

Die Technik von Blue Yonder stammt aus der Teilchenphysik. Gründer Michael Feindt begann seine Karriere am europäischen Forschungszentrum Cern. Dort gab es das Problem, dass sich bestimmte physikalische Werte wie die Energie des B-Quarks nicht direkt messen lassen. Feindt schrieb im Jahr 2000 einen Algorithmus, der die Energie stattdessen indirekt ermittelte. Später kam ihm die Erkenntnis, dass sich dieser Algorithmus auf alles Mögliche ansetzen lässt – auch auf das Verhalten von Menschen.

Zu den Kunden von Blue Yonder zählen vor allem Einzelhändler wie dm, SportScheck, Kaufland und Kaiser’s Tengelmann. Dort sagen die Blue-Yonder-Algorithmen vor allem den künftigen Absatz voraus, damit nicht zu viel und nicht zu wenig Waren auf Lager sind. Die britische Fastfoodkette EAT muss dadurch im Schnitt 14 Prozent weniger Lebensmittel wegwerfen. Kaiser’s Tengelmann will künftig bei allen 500 Supermärkten große Teile des Sortiments automatisiert ordern. In einem Pilotprojekt in zehn Filialen sank die Quote an vergriffenen Waren von über fünf auf unter ein Prozent.

Um aus den Zahlen wirkliche Ursache-Wirkungs-Beziehungen herauszudestillieren und nicht nur einfache, aber oft irreführende Korrelationen, braucht es allerdings hinreichend detaillierte Daten, die etwa alle Marketingmaßnahmen und Umsätze verzeichnen. Ansonsten muss der Kunde experimentieren, zum Beispiel mit dem Preis. Dann kann der Algorithmus etwa den Einfluss von Wetter, Wochentag oder Werbeaktionen herausrechnen.

Seit diesem Sommer bietet Blue Yonder seinen Kunden auch eine automatische Preisgestaltung an. Sie gilt nur für einzelne Produkte, aber nicht für individuelle Kunden wie etwa beim Berliner Start-up SO1. Die Logik dahinter: Wer mitten in der Woche ein neues Hemd kaufen will, benötigt es vermutlich dringend und wird nicht so sehr auf den Preis schauen. Am Samstag haben die Menschen hingegen mehr Zeit, Angebote zu vergleichen. Bei der Modekette Bonprix, die 2014 zwei Versuchsläufe mit dem dynamischen Pricing unternahm, lagen die von Blue Yonder festgelegten Preise rund zehn Prozent über oder unter den manuell bestimmten. Käufer von Jacken und Mänteln ließen sich am ehesten von erhöhten Preisen abschrecken. Bei Kleidern hingegen stieg bei einer Preiserhöhung der Absatz sogar.

  • Mehr dazu in der aktuellen Ausgabe der Technology Review (am Kiosk zu kaufen oder online zu bestellen)

(grh)