Stromspar-Chip mit "elektrischer Intelligenz"

Forscher der Zürcher ETH wollen einen weltweiten Energiemanagement-Standard nach vorne bringen. Der könnte auch Vorteile im Bereich des "Smart Home" bieten.

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Von
  • Tom Sperlich
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An der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich wurde in der vergangenen Woche die "digitalSTROM.org"-Allianz gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, einen weltweiten Standard für "elektrische Intelligenz" zu entwickeln. Damit gemeint sind Geräte, die ein eigenes Energiemanagement mitbringen und dadurch deutlich stromsparender arbeiten.

Der Standard basiert auf einem neuartigen Verfahren, das für eine digitale Informationsübertragung über die existierende Stromleitung entwickelt wurde. Der Ansatz ähnelt der bekannten Internet-über-Strom-Technologie Powerline, besitzt aber nicht deren Nachteile wie die Emission hochfrequenter EM-Strahlung.

Professor Ludger Hovestadt vom Institut für Hochbautechnik der ETH konnte in Zürich erstmals einen einzigen integrierten Hochvoltchip zeigen, der all diese Funktionen vereint. Der so genannte dSID-Chip ist mit nur 6 mal 4 Millimetern so klein, dass er als Massenprodukt in jedes elektrische Gerät eingebaut werden kann und verbraucht im Stand-by-Modus weniger als 0,3 Watt.

Über die Stromleitung, die quasi als Bussystem fungiert, kann der Chip auch die Stand-by-Funktion aller angeschlossenen Elektrogeräte übernehmen. So ließen sich beispielsweise gar Energiesparlampen dimmen, erläutert Hovestadt.

Damit das neue Verfahren weltweit Erfolg hat und die Stromverschwendung zu reduzieren oder gar zu vermeiden hilft, muss aber zunächst der neue Standard vorangetrieben werden, damit alle Einzelteile zusammenspielen. Hier kommt die "elektrische Intelligenz" zum Zuge, wie die Forscher ihr Anliegen sprachlich wohl überlegt verpacken.

Als erster großer Partner der Organisation digitalSTROM.org, die unter der Schirmherrschaft der ETH steht und als Non-Profit-Vereinigung agiert, trat der deutsche Stromversorger Yello Strom bei. "Wir wollen in einer ersten Phase vor allem ausgewählte Gerätehersteller und Energieversorger für unsere Sache gewinnen", erläutert Hovestadt. Später soll die Allianz auch für kleinere Firmen, Fachplaner, Installateure und Privatpersonen offen stehen. Erste Geräte mit dem Chip sollen laut Vorstellung von digitalSTROM.org ab Mitte 2009 in den Handel kommen. Die Technologie integriert Prozessor, Speicher, Netzteil und Kommunikationsmodul.

Darüber, welche Technologie digitalSTROM für die Informationsübertragung nutzt, halten sich die Entwickler noch bedeckt. Das Team, zu dem neben Hovestadt auch der Informationselektroniker Wilfrid Beck und der Physiker Ralf Hofmann von der Firma aizo GmbH gehören, verrät nur so viel: "digitalSTROM arbeitet nicht auf der Basis von Frequenzmodulation, sondern mit einem neuartigen, patentierten und für Experten überraschenden Verfahren." Im Basisband in der Nähe des Nulldurchganges schalte der Chip für wenige Mikrosekunden, um die digitalen Informationen zu übertragen.

So seien bisher unerreicht hohe Übertragungssicherheit und extrem kompakte Bauformen durch MOSFET-Technik möglich, meint Hovestadt. Das genaue Funktionsprinzip wird nur den Teilnehmern von digitalSTROM.org unter einem Non-Disclosure-Agreement dargelegt. Allen Mitgliedern der Allianz wird angeboten, Demonstrationskits zu erwerben, um sie in ihren Labors zu testen.

Jeder dSID-Chip besitzt eine eigene individuelle ID – deshalb auch der Name "digitalStromID". Die Allianz kaufe sich in den gleichen Adressraum ein, wie ihn die RFID-Chips nutzten, so Hovestadt. Auf diese Art wolle man neben der Nutzung von optischen Technologien und von Funksignalen eine weitere Identifikationsmöglichkeit auf der Ebene des Elektrizitätsverbrauchs bieten.

Dies dient vor allem dazu, erstmals eine Palette von Funktionen zu ermöglichen, mit denen Stromverschwendung vermieden werden kann. Dazu gehört eine differenzierte Verbrauchsmessung elektrischer Geräte, eine Überwachung defekter elektrischer Geräte ("Pre-Maintenance") und ein Zugriff auf einzelne elektrische Geräte auch aus der Ferne ("Remote Access").