Wie bändigt man ein Energiemonster?

Eine Fachtagung im Bundesumweltministerium lotet die Möglichkeiten aus, den explodierenden Energieverbrauch der Informationstechnik in den Griff zu bekommen. Immerhin: Die Lage ist vertrackt, aber nicht hoffnungslos.

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Von
  • Niels Boeing
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Es ist schon eine Krux mit der Nachhaltigkeit: Wohin man auch schaut, entdeckt man nur Probleme. Da macht auch die Informationstechnik keine Ausnahme. Vor Jahren noch als Hoffnungsträger für eine Entstofflichung von Medien und Wirtschaft gepriesen, hat sie sich zu einem Energiefresser ersten Ranges gewandelt. Auf 5,3 Prozent oder 868 Terawattstunden hat Kevin Kelly gerade in seinem Technium-Blog ihren Anteil am weltweiten Stromverbrauch – basierend auf neuen Studien aus diesem Jahr – geschätzt. Konservativere Schätzungen gehen von zwei Prozent aus. Laut Kelly entfallen dabei knapp 280 Terawattstunden auf Rechenzentren, Router und Modems, knapp 590 Terawattstunden auf die Endgeräte der Nutzer. 868 Terawattstunden: Das entspricht etwa 520 Millionen Tonnen oder 1,6 Prozent der globalen CO2-Emissionen (legt man 600 Gramm CO2 pro Kilowattstunde zugrunde).

Angesichts des explosionsartigen Wachstums des Internet dank Web 2.0 und boomenden Online-Welten wie Second Life oder World of Warcraft in den vergangenen zwei Jahren ist klar: Dabei wird es nicht bleiben. Wie vertrackt die Lage ist und wie man gegensteuern könnte, versuchte nun gestern die Fachtagung „Grüner Surfen“ im Bundesumweltministerium in Berlin auszuloten.

Rolf Kersten von Sun Microsystems illustrierte, wieviel Strom bei typischen Webanwendungen verbraten wird. Eine siebentägige Ebay-Auktion? Soviel wie eine 20-Watt-Glühbirne in anderthalb Stunden, also 30 Wattstunden. Weltweit laufen in jeder Sekunde 105 Millionen Auktionen simultan in den acht Rechenzentren. Eine Google-Suche? Soviel wie eine 8-Watt-Energiesparbirne in einer Stunde. 40 Millionen Suchabfragen bearbeitet allein ein Cluster mit über 30.000 Servern (die Gesamtzahl der Server wird auf 450.000 geschätzt). Ein schlechtes Gewissen müsse ein Internetnutzer beim Googlen allerdings nicht haben, sagte Kersten. „Mit einer Serverauslastung von 93 Prozent kann man die Dienstleistung Internetsuche kaum effizienter als Google bereitstellen.“

Dass etwa die immer wieder unterstellten Effizienzgewinne digitaler Medien gegenüber analogen nicht ohne weiteres haltbar sind, zeigte Siegfried Behrendt vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) am Beispiel der Zeitung mit einer aktuellen Berechnung (Anmerkung). Berücksichtigt man nämlich die gesamte Infrastruktur, um dem Leser einen Artikel liefern, zeigt sich: Die gute alte Papierzeitung schneidet gar nicht so schlecht ab. Während ein Artikel hier 0,4 Kilowattstunden Strom verbraucht, kommt die entsprechende Webseite auf 0,56. Eine Darstellung als PDF-Datei schlägt schon mit 2,8 Kilowattstunden zu Buche. Die Zeitung als ePaper mittels UMTS auf einem tragbaren Kunststoffdisplay zu beziehen, würde gar 14 Kilowattstunden ausmachen. „Das sind entspricht dem Energieverbrauch von vier Waschmaschinenladungen“, so Behrendt. Wirklich effizient wäre hingegen die Übermittlung über einen Digital-TV Kanal im DVB-T-Standard, die nur 0,03 Kilowattstunden verbrauchen würde.

Wichtig sei deshalb eine Betrachtung, die das gesamte System einbezieht. Die Lage ist allerdings nicht hoffnungslos. „Durch den konsequenten Einsatz von State-of-the-art-Technologien könnte man den Energieverbrauch bis 2010 um 30 bis 50 Prozent senken“, schätzte Behrendt. Internationale Konzerne könnten mittels Videokonferenzen das Herumjetten ihrer Mitarbeiter deutlich reduzieren. Sabine Lobmeier vom Netzwerkausrüster Cisco sagte, das Unternehmen werde künftig dank der eigenen „Telepresence“-Technologie 200 Millionen Flugmeilen einsparen. Knapp 150.000 Tonnen CO2 würden so weniger ausgestoßen. Diese Maßnahme ist Teil einer „Greening of IT“-Strategie, die Cisco im Mai vorstellte.

Welchen Beitrag Internet-Provider und andere Betreiber von Rechenzentren leisten können, erläuterte Damian Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Strato AG. Die hatte im Juli angekündigt, ihren Strom nur noch aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Damit werde das Unternehmen ab 2008 CO2-frei arbeiten, sagte Schmidt. Strato hat seine beiden Rechenzentren, die 30.000 Server umfassen, auf Energieeffizienz getrimmt. Die von Sun Microsystems hergestellten T2000-Server ermöglichten eine Einsparung von 90 Prozent auf der Prozessor-Ebene, nannte Schmidt ein Beispiel. Sparsamere Hardware benötige dann auch weniger Kühlung. Die macht in Rechenzentren inzwischen die Hälfte des Stromverbrauchs bei Servern aus.

Dank eines neu konzipierten Systems zur Raumbelüftung könnten zusätzlich 20 Prozent der Kühlenergie eingespart werden. Hierbei wird nicht mehr der ganze Raum gekühlt, sondern nur ein Teil der Gänge zwischen den Serverracks – die Luftzirkulation aufgrund des Temperaturunterschieds lässt die wärmere Luft in den anderen Gängen nach oben steigen und zieht die gekühlte Luft nach. Der Umstieg auf das Betriebssystem Solaris 10 wiederum habe den Energieverbrauch, der sich der Software zurechnen lässt, um ein Drittel gesenkt. Außerdem setze man konsequent auf die Virtualisierung von Servern. Ergebnis: „Wir haben in den letzten 18 Monaten in den Rechenzentren eine Einsparung von 30 Prozent geschafft“, sagte Schmidt. Und fügte selbstbewusst hinzu: „Wenn wir das können, kann das jeder Anbieter, der sich Gedanken darüber macht.“