Wie bändigt man ein Energiemonster?

Seite 2: Wie bändigt man ein Energiemonster?

Inhaltsverzeichnis

Neben der Optimierung des IT-Bestandes wies Philipp Koch vom Schweizer Provider Nine Internet Solutions auf die Möglichkeit hin, die eigenen CO2-Emissionen durch Zertifikate oder den Clean Development Mechanism – Instrumente, die im Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz vereinbart worden sind – zu kompensieren. „Wir sind das erste Schweizer IT-Unternehmen, dass durch myclimate.org klimaneutral zertifiziert ist.“ Die jährlichen 70 Tonnen CO2-Emissionen, von denen 65 Tonnen beim Serverbetrieb anfallen, würden durch Klimaschutzprojekte in der Schweiz kompensiert.

Auch die Deutsche Telekom hat begonnen, Klimaneutralisierung einzusetzen. Für den Energieverbrauch, der beim Betrieb der Telefone der neuen Sinus-Reihe im Laufe von fünf Betriebsjahren anfällt, würden 53.000 Tonnen CO2 in entsprechenden Projekten „stillgelegt“, sagte Claudia Schwab von der Telekom. Die Sinus-Telefone seien für die Verbraucher mit einem entsprechenden Label gekennzeichnet. Für eine vollständige Klimaneutralität müsse die Telekom allerdings auf Ökostrom umstellen. Einen „konkreten Zielkorridor“ wollte Schwab dafür nicht nennen. Strato-Chef Damian Schmidt hält die Kompensation von CO2-Emissionen allerdings nicht für den richtigen Weg: „Das führt zu einer gewissen Schläfrigkeit der Unternehmen.“ Besser sei es, wenn der Klimaschutz von den Anbietern gleich ins Produkt integriert werde.

Auch auf der Seite der Endgeräte bei den Nutzern sehen die Experten noch Einsparpotenziale. Florian Spatz von IGEL Technologies machte sich für die so genannten Thin Clients, die das Unternehmen herstellt, stark – ein Konzept, das seit den neunziger Jahren immer wieder als Alternative zum PC diskutiert worden ist. Thin Clients verarbeiten nur Bildschirm-, Maus- und Tastaturdaten, während Anwendungen und Daten sich auf einem Server befinden. Das spart Energie: Ihre durchschnittliche Leistung betrage mit 17 Watt nur ein Viertel eines Standard-PCs. Würden in Deutschland 20 Prozent aller PCs durch Thin Clients ersetzt, könnte der jährliche Energiebedarf von 160.000 Drei-Personen-Haushalten eingespart werden, rechnete Spatz vor. In der Herstellung würden 10 Milliarden Liter weniger Wasser benötigt – „das ist die Trinkwassermenge, die 11 Millionen Inder in einem Monat durchschnittlich verbrauchen“, so Spatz. Allerdings seien Thin Clients keine Lösung für Endanwender, sondern für Unternehmen, räumte er ein.

Auch wenn die vorgestellten Ansätze zum Teil beachtliche Potenziale zur Energieeinsparung zeigen, gleichen sie bislang eher einem Puzzle. Eine übergreifende Strategie lässt sich mit ihnen noch nicht formulieren. „Was wir vermeiden müssen, ist, dass jeder der Beteiligten seine eigene Lösung entwickelt“, mahnte denn auch Ulf Jaeckel vom Bundesumweltministerium, der den Fachdialog für eine grüne IT koordiniert. Das würde die Verbraucher letztendlich verwirren und die Glaubwürdigkeit der Maßnahmen untergraben. Die meisten Nutzer dürften ohnehin nicht überblicken, welche Optionen sie derzeit haben: Für IT-Geräte gibt es derzeit noch keine Kennzeichnungen zur Energieeffizienz, wie sie etwa bei Kühlschränken seit langem üblich sind. Zudem nutzen viele nicht das Energiesparmanagement ihrer Rechner, sondern lassen sie 24 Stunden im Arbeitsmodus am Netz.

Angesichts der Tatsache, dass rund zwei Drittel des IT-Stromverbrauchs bei den Endgeräten anfällt, müsste hier dringend etwas geschehen. So bleibt nur zu hoffen, dass bei Umsetzung der EU-Ökodesignrichtlinie in zwei, drei Jahren erste Effizienzstandards für IT-Geräte gesetzt werden. Ob sie weit genug gehen werden, darf bezweifelt werden. Denn wie hatte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos bei der Vorlage des entsprechenden Gesetzesentwurfs der Bundesregierung im August versprochen: "Ich werde mich auf europäischer Ebene intensiv dafür einsetzen, Kostenbelastungen der Wirtschaft durch die neuen Ökodesign-Anforderungen so gering wie möglich zu halten."

Nachtrag vom 6.11.2007:
Die Studie, auf die sich Behrendt bezog, ist bereits von 2004. Laut ihrem Autor Christian Kamburow haben sich einige Grundannahmen der Studie nicht bestätigt, so dass die Zahlen mit Vorsicht zu behandeln sind. (zurück)
(nbo)