Geschäft mit dem Klimakiller

Das US-Unternehmen Blue Source will gutes Geld mit dem Auffangen von Klimagasen verdienen, die dann in der Ölförderung eingesetzt werden können.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Peter Fairley

Sollte die kohlebefeuerte US-Stromindustrie eines Tages auf fortschrittlichere wie sauberer Technologien umsteigen, dann braucht sie einen praktikablen Weg, das anfallende Klimagas CO2 einzufangen und zu speichern. Blue Source, ein Unternehmen aus Salt Lake City, begann kürzlich mit dem ersten Schritt in diese Richtung: Die Firma startete ihr erstes großes Projekt zur CO2-Sequestrierung. Dabei wird industrielles CO2 aus der Erdgas-Produktion im Südosten Colorados zu einem bislang noch ungenannten Ölproduzenten geleitet, der das Gas wiederum in ein langsam zur Neige gehendes Ölfeld pumpt. Im Endergebnis soll dies die Rohölproduktion steigern und gleichzeitig eine deutliche CO2-Reduktion erreichen – so viel Klimagas, wie von 70.000 Fahrzeugen produziert würde, wird eingespart.

Das Projekt ist zumindest technisch nicht besonders innovativ – es werden Standardkomponenten verwendet. Das Geschäftsmodell ist dennoch sehr interessant: Es ist das erste Projekt, bei dem nicht nur das aufgefangene CO2 verkauft wird, sondern auch so genannte CO2-Offsets, ein Derivate-Produkt, das sich aus der Emissionsreduktion speist. Analysten sehen in diesem Ansatz eine Chance, fortschrittliche Kohlekraftwerke in den Markt zu bringen, die gleichzeitig eine CO2-Sequestrierung einschließen. Das sollte insbesondere in den USA sinnvoll sein, wo es dank lockerer Umweltstandards bislang eher wenig Nachfrage nach der Technik gibt. "Ein solcher Erfolg würde das Fundament für andere Kraftwerksprojekte legen, damit diese den gleichen Weg verfolgen, sollte es bald schärfere CO2-Standards geben", meint Alex Klein, Senior-Analyst für Kraftwerkstechnik bei Emerging Energy Research in Cambridge.

Das Blue Source-Modell funktioniert besonders gut in der Kombination aus teurem Öl und billigem CO2. Das Klimagas, das Blue Source aus dem "Apple Tree"-Gasverarbeitungswerk in Colorado herausschafft, ist deshalb so billig, weil es bereits konzentriert ist (im Gegensatz zur unkonzentrierten Form aus gewöhnlichen Kraftwerken, wo es mit Stickstoff versetzt ist). Das CO2 wird aus dem Gas extrahiert, das aus Erdgasquellen kommt, die nur zu 22 Prozent Methan enthalten. Das meiste CO2 davon wird bislang einfach in die Luft abgelassen. Blue Source installiert dort nun Kompressoren und Rohrleitungen, um das Klimagas zu einer bestehenden CO2-Pipeline in 16 Meilen Entfernung zu pumpen.

Hohe Rohölpreise helfen der Firma, weil es die Ölproduzenten verstärkt dazu bringt, CO2 einzusetzen, um das Rohöl in der Erde zu lockern – so fließt es leichter an die Oberfläche. (CO2, das mit dem Öl wieder aufsteigt, wird abgeschieden und wieder zurück nach unten gepumpt.) Wird der Rohöl-Barrel teurer, zahlen die Ölproduzenten auch mehr für CO2.

Blue Source und seine Finanziers wetten darauf, dass der Markt für CO2-Auffangsysteme weiter wächst – auch dadurch, dass die US-Bundesstaaten langsam schärfere CO2-Grenzwerte festsetzen. Auch der US-Kongress erwägt entsprechende Bundesgesetze. Vorbild ist Europa, wo entsprechende Emissionsrechte-Handelsprogramme den Preis von CO2-Offsets auf mehr als 20 Euro pro Tonne gesteigert haben – in den USA werden sie an der Klimabörse von Chicago dagegen mit nur zwei Dollar gehandelt. Auch Investmentbanker stimmen dem Konzept zu: Blue Source konnte deshalb auch eine Milliarde Dollar Finanzmittel auftreiben, die durch die auf die Energiebranche spezialisierte US-Private Equity-Firma First Reserve eingeworben wurden.

Laut Blue Source-Chef Bill Townsend werden die 16 CO2-Sequestrierung-Projekte, die die Firma derzeit plant, mehr als diesen Betrag kosten. Einige davon, wie eine Düngermittelfabrik in Coffeyville, Kansas, die Blue Source mit Ölfeldern in Kansas und Oklahoma verbinden will, liefern konzentriertes und damit billiges CO2. Doch Townsend hat ähnliche Projekte auch mit Kohlekraftwerken und anderen Anlagen mit synthetischen Brennstoffen vor, die spezielle CO2-Auffangtechnologien benötigen – und das wird die Kosten womöglich verdoppeln, bevor das Klimagas in die Erdölfelder geht.

Und die Projekte werden einige Wettbewerber haben. Die unabhängige Öl- und Gas-Firma Denbury Resources hat zwei Deals in den vergangenen sechs Monaten unterzeichnet, um das CO2 aus drei geplanten Vergasungsanlagen in Louisiana und Mississippi aufzukaufen, die Kohle und Petrolkoks in synthetische Brennstoffe und Chemikalien umwandeln. Der Stromkonzern NRG Energy aus Princeton kündigte derweil im November an, dass er eine Million Tonnen CO2 pro Jahr auffangen und verkaufen will – in einem Kohlekraftwerk in Texas, das mit einem neuen Auffangsystem von Powerspan ausgerüstet wird. Zum Vergleich: Blue Source erhält 400.000 Tonnen CO2 pro Jahr aus der Gasfabrik in Colorado.

Analyst Klein glaubt jedoch, dass es genügend Raum für all diese Projekte gibt, weil die CO2-Nachfrage in der Ölindustrie weiter ansteigen werde – und dort derzeit erstaunlicherweise nicht genügend des Klimagases vorhanden ist: "In den letzten 20 Jahren kam das meiste CO2, das in der Ölförderung eingesetzt wurde, aus natürlichen Quellen. Und die sind nahezu leer." Wolle die Industrie expandieren und ihre Wachstumsziele erreichen, werde das von Menschen verursachte CO2 künftig seine Rolle zu spielen haben.

Das sind gute Nachrichten für Kohle-abhängige Kraftwerksbetreiber, die derzeit die US-Stromindustrie dominieren – und für ihre Kunden. "Die Zukunft der Kohle sieht nicht rosig aus, wenn das CO2-Problem nicht angegangen wird", meint Klein. (bsc)