Pleitegeier greift sich immer mehr Dot.coms
Die langsame Entwicklung des E-Commerce, mangelnde Managementfähigkeiten der Unternehmer und unausgegorene Geschäftsideen sind der Grund für die zunehmende Zahl der Dot.com-Pleiten.
Die Dot.com-Euphorie ist vorbei, das vielgepriesene Wachstumssegment der internationalen Wirtschaft ist entzaubert. Spätestens seit den beiden ersten Pleiten am Neuen Markt ist auch deutschen Investoren und Unternehmern klar, dass im Internet Geld genauso verdient werden muss wie in der Old Economy. Das bedeutet: Nur wer gute Leistungen bringt und sich an Grundregeln des wirtschaftlichen Handelns orientiert, kann damit rechnen, den ersehnten break even, also den Durchbruch in die Gewinnzone, irgendwann zu erreichen. Viele junge Start-Ups werden aber bis zu diesem Zeitpunkt wohl nicht durchhalten: Das Bankhaus Merck Finck & Co. sieht allein auf knapp ein Dutzend der am Neuen Markt notierten Unternehmen innerhalb des nächsten Jahres die Zahlungsunfähigkeit zukommen. Und wenn man davon ausgeht, dass am Wachstumssegment der Frankfurter Börse nur die Elite der Start-Ups zu finden ist – was man derzeit schon manchmal bezweifeln muss –, muss man die Zahl derjenigen Unternehmen, die nie irgendwann in die Schlagzeilen kommen bevor sie Pleite machen, wohl noch viel höher ansetzen.
Nicht besser sieht es in den USA aus. Von den 130 seit Januar dieses Jahres eingegangenen Dot.coms, die das Beratungsunternehmen Webmergers.com registriert hat, sind über 90 Prozent aus den Vereinigten Staaten. Gegen Ende des Jahres hat dabei die Zahl der Pleiten drastisch zugenommen. In einem Bericht über die Geschäftsaufgaben nennt Webmerger für den Oktober 22 Pleiten, allein in der ersten Novemberhälfte kommen die Berater schon auf 21. Geht die Entwicklung in diesem Tempo weiter, werden bis zum Jahresende wohl über 150 Pleiten zu zählen sein – wenn auch durch das Weihnachtsgeschäft mit einer Abschwächung der Pleitewelle zu rechnen ist.
Rund 60 Prozent der bislang registrierten Geschäftsaufgaben betrafen Unternehmen des E-Commerce, 75 Prozent der bankrotten Firmen waren im direkten Verbrauchergeschäft tätig. Vor allem solche so genannten B2C-Unternehmen spüren, dass die Entwicklung des E-Commerce stark hinter den teilweise allzu optimistischen Erwartungen zurückblieb. Sogar Branchenriesen wie Amazon.com haben es bislang nicht geschafft, auch nur einen einzigen Cent zu verdienen. Doch nicht nur die schlechte Entwicklung der Branche ist an den Pleiten schuld: Neben Managementfehlern und sind oft auch unausgegorene Geschäftsideen der Grund für das Scheitern eines Unternehmens. Das ist auch oft der Grund dafür, dass angeschlagene Internet-Unternehmen keine Käufer finden.
Die Probleme der Dot.coms spürt natürlich auch der Arbeitsmarkt: Durch betriebsbedingte Entlassungen in Internet-Unternehmen haben in diesem Jahr in den Vereinigten Staaten bislang rund 5700 Arbeitnehmer ihren Job verloren, die Pleiten vernichteten noch einmal rund 8000 Arbeitsplätze. Allerdings erzeugen andere Firmen aus der IT-Branche, und zwar häufig solche, die mehr im Hintergrund arbeiten wie Dienstleistungsunternehmen oder Netzwerk-Ausrüster, momentan immer noch mehr Arbeitsplätze als Dot.coms vernichten können. (chr)