Vorläufiger Höhepunkt der Skandalserie am Neuen Markt

Der krisengeschüttelte Neue Markt ist um einen Skandal reicher. Die Festnahme von zwei Infomatec-Vorständen ist der bisherige Höhepunkt der Skandalserie.

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Von
  • Marc Strehler
  • dpa

Der ohnehin krisengeschüttelte Neue Markt ist um einen Skandal reicher. Die Festnahme von zwei Vorständen des Software-Unternehmens Infomatec ist der bisherige Höhepunkt in einer Serie von Unternehmenspannen, Pleiten und korrigierten Prognosen und in der Folge einbrechenden Kursen, die die einst euphorischen Anleger in den vergangenen Monaten stark verunsichert hat.

Am Freitag beispielsweise schockte der Lizenzhändler Intertainment die Aktionäre mit einer drastischen Korrektur der Erwartungen für 2000. Selbst EM.TV als Riese am Neuen Markt musste neulich seine Halbjahreszahlen nachträglich korrigieren. Der Nemax-All-Share-Index ist vom Jahreshoch bei mehr als 8500 Punkten auf inzwischen nur noch rund 3500 Punkte abgestürzt.

Neben der Pleite der Frankfurter Gigabell ist der Sturz der Infomatec einer der spektakulärsten Fälle am Börsensegment für Wachstumstitel. Lange Zeit galt das schwäbische Unternehmen als eines der Lieblingskinder der Wachstumsbörse. Immer neue Erfolgsmeldungen und vielversprechende Wachstumsprognosen ließen den Kurs der Aktie stetig steigen – 1999 zeitweise auf mehr als 60 Euro. Am heutigen Freitag stand sie bereits bei unter 2,50 Euro. In dieser Woche wurde außerdem bekannt, dass Infomatec den Nemax-50-Index verlassen muss.

Auf den Infomatec-Hauptversammlungen war bereits vom "Global Player" die Rede, die Vorstände präsentierten stolz Internetzugänge über den Fernseher mit Settop-Boxen. Das großzügige finanzielle Engagement des Unternehmens bei lokalen Sportvereinen verschaffte Infomatec auch in der schwäbischen Heimat eine hohe Akzeptanz.

Auf den Höhenflug folgte dann allerdings der abrupte Absturz. Ende August revidierte das Unternehmen die Umsatzprognose für das laufende Geschäftsjahr deutlich nach unten und den erwarteten Verlust nicht weniger stark nach oben. Die Vorstände Gerhard Harlos und Alexander Häfele räumten Fehler ein und kündigten an, bis zum Ende des Jahres von ihren Posten zurückzutreten. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hatte bereits zuvor Ermittlungen aufgenommen, nachdem eine Aktionärsschutzgemeinschaft Anzeige wegen angeblich falscher Ad-Hoc-Meldungen erstattet hatte. Wenig später wurden mehrere Geschäftsräume des Unternehmens durchsucht. Mit der Festnahme von Harlos und Häfele in dieser Woche fand die Skandalserie ein vorläufiges Ende.

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Infomatec-Gründern Kursbetrug, verbotene Insider-Geschäfte und falsche Darstellung der Unternehmensverhältnisse vor. Sie sollen mit einer unzutreffenden Ad-Hoc-Meldung den Kurs in die Höhe getrieben haben, um anschließend für jeweils rund 28 Millionen Mark Aktien zu verkaufen. Die auf der Hauptversammlung 1999 präsentierten Surfstationen waren nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft vermutlich gar kein Infomatec-Produkt. Vielmehr soll das Logo des wirklichen Herstellers mit einem Infomatec-Aufkleber überklebt worden sein.

Kein Wunder, dass der Kurs der Infomatec-Aktie, von immer neuen Hiobsbotschaften erschüttert, auf den heutigen Stand von unter 3 Euro sank. Inzwischen stufen Branchen-Kenner den Wert als "Zocker-Papier" ein. (Marc Strehler, dpa) / (jk)