Abgas-Skandal: VW quält sich mit der Transparenzfrage

Wer einmal lügt, dem glaubt man bekanntlich nicht mehr. In der Abgas-Affäre bei VW lautet das Gebot der Stunde daher mehr denn je: Vertrauen muss zurückkehren. Nur beim Wie gibt es handfesten Ärger. Und das überschattet nicht nur wichtige Termine.

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Abgas-Skandal: VW quält sich mit der Transparenzfrage
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Heiko Lossie
  • Marco Hadem
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Zuletzt drang die ungeschminkte Wahrheit aus dem krisengeschüttelten VW-Konzern per Mitarbeiterzeitung an die Öffentlichkeit. "Wir haben das wichtigste Teil unserer Autos kaputt gemacht: Ihr Vertrauen", steht dort als Anzeige in eigener Sache. So deutlich ist der Konzern selten. Im Gegenteil: Nach dpa-Recherchen wächst die Verstimmung unter den wichtigsten Akteuren der Krise. Einen gemeinsamen Kurs in Sachen Transparenz oder eine gemeinsame Vorstellung zur Öffentlichkeitsarbeit gibt es nicht.

Der Abgas-Skandal bei VW

Jüngster Höhepunkt der Reibereien: Am heutigen Mittwoch besucht Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) als Aufsichtsrat VW-Stammwerk in Wolfsburg. Das Land ist nach dem Porsche/Piëch-Familienclan größter VW-Eigner. Weil will mit dem neuen VW-Chef Matthias Müller und Betriebsratschef Bernd Osterloh die Mitarbeiter der Golf-Fertigung besuchen und "sich vor Ort über aktuelle Entwicklungen des Standortes informieren", wie es der Konzern per Einladung beschreibt. Medienvertreter sind im Anschluss zum "Film- und Fototermin" gebeten. Fragen sind dabei nicht vorgesehen.

Das liest sich in der Einladung der Staatskanzlei anders, dort ist fett markiert von "Statements und Fotos" nach dem Rundgang die Rede. Nach dpa-Informationen herrschte bei der Frage, ob sich Müller als einer der wichtigsten Akteure der Krise nur fotografieren und filmen lässt oder ob er den Journalisten auch Rede und Antwort steht, lange Uneinigkeit zwischen den Stäben des Gastes – Stephan Weil – und den Hausherren. Nach dem Wunsch der Staatskanzlei hätte am liebsten auch der neue Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch dabei sein sollen.

Auf Anfrage bestätigen Staatskanzlei und Betriebsrat, dass Weil und Osterloh bei dem Termin für Fragen bereitstehen. Ein Konzernsprecher meinte dagegen, dies sei nicht Teil der Planungen und damit auch für Müller nicht verbindlich.

Die Medienstrategie ist kein Nebenkriegsschauplatz in der Affäre, die alleine in Deutschland 2,4 Millionen Autofahrer mit ihren Dieseln zum Rückruf in die Werkstätten zwingt. Sogar 8,5 Millionen sind es europaweit. Der VW-Konzern ist Europas größter privater Arbeitgeber und, natürlich, auch mit Abstand der größte europäische Autobauer.

In der Anzeige der Mitarbeiterzeitung sagt der Konzern schonungslos: "Jedes Mal, wenn Sie eines unserer Fahrzeuge gekauft haben, haben Sie an uns geglaubt. Und trotzdem haben wir Sie nun enttäuscht."

Nun kommt es darauf an, wie die Akteure mit der Situation umgehen. Branchenexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach gibt zu bedenken, dass nicht die millionenfachen Rückrufe an sich das Problem seien, sondern vor allem ihr Handling. "Der Kunde vergisst schnell, wenn vernünftig aufgearbeitet worden ist", sagt Bratzel. Wenn es gutlaufe, liege in der Krise im Idealfall sogar eine Chance, die Kundenbindung zu verstärken.

Doch aus den Kreisen des Aufsichtsrates mehren sich seit Pötschs Wahl an die Spitze des Gremiums am 7. Oktober die Stimmen, dass das Kontrollgremium mit dem Interimsvorsitzenden Berthold Huber ein wenig den Anschluss an das Krisen-Management im Konzern verloren hat. "Die Stimmung ist getrübt", sagt ein Insider. So habe etwa in der vergangenen Woche die Mitteilung des Konzerns, bei der Pkw-Kernmarke künftig pro Jahr eine Milliarde Euro einsparen zu wollen, für Unruhe und Ärger gesorgt, da diese zuvor nicht mit allen Mitgliedern des sechsköpfigen VW-Präsidiums abgestimmt war. "Viele wurden von den Presseberichten überrascht und dies nicht positiv", heißt es. Das Präsidium ist die Spitze der VW-Kontrolleure, das Zentrum der Macht.

Der Aufsichtsrat und das Präsidium würden daher weiter ihre Forderung an den Konzern aufrecht halten, mit mehr Transparenz und vor allem auch Kommunikationsbereitschaft auf die Abgas-Krise zu reagieren. Dies geschehe derzeit weder nach außen – also zur Öffentlichkeit – noch nach innen – also zu den Kontrollmitgliedern.

"Mit Pötsch hat das Gremium sich einen Vorsitzenden gewählt, der aus dem Konzern kommt und dessen Denkweise noch immer dort verhaftet ist", sagt ein Kenner der Gemengelage. Daher sei es kein Wunder, dass der Konzern nun wieder eigenständiger gegenüber dem Aufsichtsrat agieren könne. Genau dieser Habitus berge aber eine große Gefahr für die Aufarbeitung der weltweiten Manipulationen bei Diesel-Motoren.

Ähnlich hatte sich jüngst auch SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einem Treffen mit den Weltkonzernbetriebsräten in Wolfsburg geäußert: "Ich teile die Auffassung der Arbeitnehmervertreter, der Betriebsräte und der IG Metall, dass der Konzern offensiv vorgehen muss. Nicht erst auf Nachfrage. Klar ist, dass das Unternehmen aufklären muss. Je offensiver es das tut, desto besser wird es werden. Je defensiver, desto schwieriger."

In diesem Kontext sei auch das Treffen am Mittwoch in Wolfsburg zu sehen, berichten Insider. Ob es dabei mit Müller nur Fotohäppchen für die Öffentlichkeit gibt, und ob danach Weil und Osterloh die Rolle der Auskunftsgeber alleine einnehmen, bleibt abzuwarten.

Zur Wahrheit gehört es auch, dass Osterloh und Weil nicht nur um der lieben Aufklärung willen ein Interesse haben, öffentlich Engagement zu beweisen. Die nächste Wahl kommt bestimmt, sei es für Landtag oder Betriebsrat. Dennoch gibt ein Insider aus dem Lager der beiden zu bedenken, dass es bezeichnend sei, wer bisher den Kopf hinhalte. (anw)