Retro-Anspruch verfehlt: Die Yamaha XSR 700

Gequälte Philosophie

Mit den Bestseller-Baureihen MT-07 und MT-09 treibt Yamaha die Diversifizierung auf die Spitze, sie umfassen mittlerweile sieben Modelle. Die jüngste Variante soll die Retro-Freunde ansprechen und bekam dazu sogar einen eigenständigen Namen: XSR 700

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Köln, 6. November 2015 – Yamaha hat eine clevere Marketing-Stragie entwickelt. Die Customizer-Szene boomt schon seit etlichen Jahren, Stars der Szene wie der Kalifornier Roland Sands, die australische Schmiede „Deus Ex Machina“ oder die dänischen „Wrenchmonkees“ erregen mit ihren Umbauten viel Aufsehen. Der japanische Hersteller begriff, dass man mit einem Basismodell durch Design-Retuschen und Austausch von Komponenten verschiedene Geschmäcker und entsprechend viele Kunden erreichen kann. Yamaha bestand nicht mehr eifersüchtig darauf, dass ihr Serienmodell der Weisheit letzter Schluss sei und rief vor über einem Jahr das „Yard Built Project“ ins Leben. Customizer und Händler in aller Welt waren aufgefordert, aktuelle Yamahas im angesagten Retro-Stil umzubauen. Vor allem natürlich die Modelle XJR 1300, SR 400 und XVR 950, die sich bestens dafür eignen. Der Anklang war groß und viele mehr oder weniger gelungene Umbauten erfreuten die Fans klassisch anmutender Motorräder.

Doch auch Yamaha selber begann, Modelle in verschiedenen Interpretationen in Serie zu bringen, wie die überarbeitete XJR 1300 und XJR 1300 Racer. Mit den Bestseller-Baureihen MT-07 und MT-09 ­– sie liegen in Deutschland zurzeit auf dem zweiten bzw. fünften Platz der Zulassungsstatistik – treiben die Japaner die Diversifizierung auf die Spitze, sie umfassen mittlerweile sieben Modelle. Die jüngste Variante soll die Retro-Freunde ansprechen, und um der Sache einen authentischen Anstrich zu geben, erhielt sie auch einen eigenständigen Namen, anstatt „irgendwas mit MT“: XSR 700.

Yamaha stellt dem Käufer sogar eine Philosophie zur Verfügung: „Faster sons.“ Das ist nicht auf Anhieb zu kapieren, aber der Hersteller liefert dafür folgende Erklärung: „Ein Slogan, der anschaulich beschreibt, dass die Söhne mit Respekt die Arbeit ihrer Väter fortführen und später mit ihren Kreationen einfach schneller unterwegs sein werden.“ Aha. Fragt sich nur, ob die Väter die Söhne für die XSR 700 nicht abwatschen: „Ihr habt versagt! Die sieht der XS 650 nicht einmal ähnlich!“

Der Namenspatin leider nicht ähnlich

Dazu muss man wissen, dass Yamaha von 1969 bis 1984 ein erfolgreiches Modell mit der Bezeichnung XS 650 anbot, ein hübscher Paralleltwin, der allerdings für seine Vibrationen berüchtigt war. Ein Vorbild in der eigenen Historie zu haben, ist immer ungemein hilfreich, um damit die Werbetrommel rühren zu können. Triumph macht das beispielsweise mit der Bonneville und Thruxton, Ducati mit der Scrambler und Kawasaki mit der W800. Aber dabei sollten die neuen Modelle den alten auch ähneln und genau hier patzt Yamaha.