Hintergrund: Nächste Runde im EU-Verfahren gegen Microsoft
Anfang der Woche hat Microsoft zu dem Vorwurf der Europäischen Kommission Stellung bezogen, dass der Konzern ein Monopol im Markt für Serversoftware aufbauen wolle.
Anfang der Woche hat der Softwarehersteller Microsoft in einem Schriftstück zu der Anklage der Europäischen Kommission Stellung bezogen, in der die EU-Kommission dem Softwarehersteller diskriminierende Lizenzvergabe und die Verweigerung der Weitergabe von Schnittstellen-Informationen vorwirft. Diese Anklage geht auf ein 1998 begonnenes Untersuchungsverfahren zurück, das die Generaldirektion Wettbewerb der EU auf eine Beschwerde von Sun hin angestrengt hat. Sun warf seinem in Redmond angesiedelten Erzkonkurrenten vor, die dominierende Stellung auf dem PC-Markt dazu zu missbrauchen, auch eine marktbeherrschende Stellung auf dem Servermarkt aufzubauen.
Derzeit läuft auf rund 95 Prozent aller PCs ein Windows-Betriebssystem. Wenn mehrere Rechner zu einem Netzwerk verbunden werden sollen, muss das Server-Betriebssystem mit den Client-Betriebssystemen zusammenarbeiten können. Dazu brauchen aber die Serversoftware-Hersteller Informationen über die Kommunikationsschnittstellen des Client-Betriebssystems. Sun warf Microsoft vor, diese Informationen nicht oder nur zu diskriminierenden Bedingungen herauszugeben.
In ihren Untersuchungen meinte die Europäischen Kommission nun Ende Juli genug Hinweise gefunden zu haben, die die Vorwürfe von Sun bestätigten, um Anklage gegen Microsoft erheben zu können. Wettbewerbskommissar Mario Monti begründete diesen Schritt damit, dass man es nicht dulden könne, "dass eine beherrschende Stellung auf einem Markt durch wettbewerbsfeindliche Methoden und unter dem Vorwand des Schutzes von Urheberrechten auf angrenzende Märkte ausgeweitet wird".
Was Microsoft zu seiner Verteidigung vorgetragen hat, ist bislang nicht veröffentlicht. Allerdings ist wohl davon auszugehen, dass der Konzern alle Anschuldigungen vehement zurückgewiesen hat. Solches geschah jedenfalls in einem ähnlichen Fall im Februar dieses Jahres. Dem Vernehmen nach war es – neben anderen – wieder das Unternehmen Sun, das sich bei der EU-Kommission über Microsoft beschwerte, diesmal speziell im Zusammenhang mit der damals bevorstehenden Markteinführung von Windows 2000. Auch in diesem Fall lautete der Vorwurf, dass Microsoft wichtige Informationen zurückhalte, ohne die die Serversoftware anderer Hersteller nicht mit Windows 2000 zusammenarbeiten könne. Windows 2000 sei sogar speziell so konzipiert, dass nur mit Software von Microsoft alle Funktionen genutzt werden könnten.
Dem Auskunftsersuchen der Kommission versprach Microsoft bestmöglich nachzukommen, wies aber die Vorwürfe, aufgrund derer das Ersuchen an die Firma gerichtet worden war, zurück. Gleichzeitig beschuldigte der Konzern den Konkurrenten Sun, rund um den Globus Regierungen anzustiften, gegen Microsoft vorzugehen. Man habe auf Suns Anfrage nach technischen Informationen sogar ein Entwicklerteam zu dem Konkurrenten geschickt, das die gewünschten Informationen habe überbringen sollen – aber Sun habe den Termin dann nicht wahrgenommen.
Beide Fälle werden von der Kommission gesondert untersucht. In Fall Windows 2000 ist auch bislang keine Anklage gegen Microsoft ergangen. Presseberichte, nach denen die Kommission eine Zusammenlegung der Fälle plane, wies eine Sprecherin der Kommission mittlerweile zurück.
Dass die Ermittlungen der EU-Kommission im Bereich der Serversoftware direkte Auswirkungen auf das in den USA gegen Microsoft laufende Antitrust-Verfahren haben könne, wird von Experten bezweifelt. Für die EU-Kommission ist in der Tat auch ein anderer Gegenstand als der interessant, der in der USA zur Klage gegen Microsoft gehört. In den USA wurde Microsoft für schuldig befunden, sein Monopol im Markt für PC-Betriebssysteme mit illegalen Mitteln verteidigt zu haben. Die EU-Kommission will gerade verhindern, dass Microsoft ein neues Monopol, nämlich auf dem Servermarkt, auf der Grundlage der dominanten Stellung im PC-Bereich aufbaut.
Beobachter erwarten nicht, dass in den USA ein ähnliches Verfahren gegen Microsoft wie bei der EU wegen der Praktiken mit der Serversoftware eröffnet wird, bevor das laufende Kartellverfahren abgeschlossen ist. Geht das Verfahren positiv für Microsoft aus, erscheint eine erneute Anklage wegen der Serversoftware zunächst unwahrscheinlich. Zwar nahm Microsoft auf diesem Markt mit einem Anteil von 38 Prozent Ende des letzten Jahres die Spitzenstellung ein (gefolgt von Linux mit 24 Prozent, Novell Netware mit 19 Prozent und Unix mit 15 Prozent), ist aber weit von einer marktbeherrschenden Stellung entfernt. Dass Microsoft eine solche Stellung erreichen wird, erscheint momentan unwahrscheinlich, da gerade Linux im laufenden Jahr Microsofts Serversoftware Anteile abgejagt hat.
Allerdings sind sich die Rechtsexperten auch darin einig, dass jede neue Untersuchung für Microsoft die Gefahr birgt, dass weitere Verstöße – soweit solche begangen wurden – bekannt werden und dann auch neue Verfahren angestrengt werden könnten. (chr)